Thalia-Bilanz des Geschäftsjahrs 2020/21

"Wir haben unsere Ziele deutlich verfehlt"

19. Oktober 2021
von Börsenblatt

Um rund sieben Prozent auf mehr als 1,1 Milliarden Euro hat Thalia trotz Corona-Pandemie seinen Umsatz im Geschäftsjahr 2020/2021 in Deutschland und Österreich gegenüber dem Vorjahr gesteigert. Das sagte Thalia-CEO Michael Busch auf der Bilanzpressekonferenz am Dienstag.

Obwohl es eine Umsatzsteigerung gegeben habe, habe Thalia unter den Ladenschließungen – rund 400 Buchhandlungen, davon je 40 in Österreich und in der Schweiz – kurz vor und nach Weihnachten "massiv gelitten". Corona sei eine harte Prüfung gewesen, so Busch. Allerdings habe die Krise den Wandel beschleunigt und man habe sich jetzt in eine Position gebracht, "die wir erst in zwei oder drei Jahren für möglich gehalten haben". 

Die Eckpunkte: 

Der E-Commerce-Anteil am Umsatz ist im Geschäftsjahr 2020/21 (1. Oktober bis 30. September) auf rund 40 Prozent gestiegen (plus zwölf Prozentpunkte).

Der Umsatz im stationären Buchhandel in Deutschland und Österreich auf vergleichbarer Fläche ist um rund 16 Prozent gesunken. Keine der etwa 400 Buchhandlung sei wegen Corona geschlossen worden, hob Busch an dieser Stelle hervor; den Marktanteil von Thalia im stationären Handel bezifferte er auf rund 25 Prozent. Ebenso wurden keine Mitarbeitenden entlassen und das Kurzarbeitergeld auf bis zu 100 Prozent aufgestockt. 

Michael Busch räumt jedoch ein: "Die Freude über unser Umsatzplus kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass wir unsere Ziele im Geschäftsjahr 2020/2021 deutlich verfehlt haben. Der Schaden durch die Zwangsschließungen unserer Buchhandlungen beträgt, über beide Corona-Jahre hinweg, rund 65 Millionen Euro. Davon übernimmt der Staat vermutlich einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag. Den Rest müssen wir über Kredite finanzieren – es fehlen somit viele Millionen für notwendige Investitionen." Rote Zahlen habe man dennoch nicht geschrieben. Das Ergebnis, das noch nicht vorliege, werde schwarz sein.

Thalia-Plattform als Branchenlösung

Thalia setze weiter auf den Ausbau aller Vertriebskanäle: Zur Thalia-Plattform gehören mittlerweile circa 470 Buchhandlungen (ohne den Zukauf einiger Weltbild-Filialen zum 1. Oktober) in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Trotz gesunkener Besucherfrequenz im letzten Geschäftsjahr in Deutschland und Österreich um mehr als 34 Prozent hätte die Kundengewinnungsquote (plus 4,5 Prozent) und der Kauf pro Kunde (plus 13 Prozen) in beiden Ländern durch Marketinginvestitionen im zweistelligen Millionenbereich gesteigert werden können.

Auch die Thalia-Plattform mit Branchenlösungen für IT, Webshop und Beschaffung, entwickelt sich weiter: Ende Oktober 2020 gaben Thalia und Osiander ihre Zusammenarbeit bekannt. Mit dem Go-live des Osiander Webshops inklusive der Omni-Channel-Services und dem Anschluss von insgesamt 69 Buchhandlungen an die Thalia-IT-Infrastruktur, gehe die Zusammenarbeit nun in den Regelbetrieb über. Damit sei es gelungen, die Nummer drei im Markt in weniger als einem Jahr auf die Plattform zu holen.

Zur Entwicklung der Thalia-Plattform als Branchenlösung nannte Busch ein Ziel von mindestens 500 Buchhandlungen bis Ende 2022. "Jeder in der Branche soll die Möglichkeit haben zu sagen: Ich gehe mit meinem Unternehmen auf die Plattform von Thalia." Ohne Allianzen in einer bundesweiten Infrastruktur, innerhalb deren jedes Buchhandelsunternehmen sein eigenes Geschäft erfolgreicher machen könne, sieht Busch die Unabhängigkeit der Branche gegenüber den global agierenden, multinationalen Internet-Plattformen als gefährdet an.

Ausbau buchnaher Geschäftsfelder

Neben dem Ausbau des Buchhandlungsnetzwerkes, will sich das Unternehmen mit buchhandelsnahen Themen zunehmend breiter aufstellen. Durch den Zukauf von Lehmanns Media im März 2021 gewinne der Fachinformationshandel an Bedeutung, durch den zahlreiche Synergien und attraktive neue Kontaktpunkte entstehen würden.

Zu den strategischen Zielen von Thalia gehört der systematische Ausbau von Verkaufspunkten im deutschsprachigen Raum. Neben dem Zukauf von Lehmanns Media, unter deren Dach nun der gesamte Fachinformationshandel der Thalia-Gruppe gebündelt wird, erwähnte Busch hier insbesondere das Engagement im Systemhandel (Thalia Retail Concepts) mit insgesamt "mehr als 3.600 weiteren Buchflächen" vor allem im Lebensmitteleinzelhandel in Deutschland, Österreich und der Schweiz. Rechne man die 470 Buchhandlungen inkl. der Osiander-Filialen hinzu, verfügt Thalia laut Busch bereits heute über mehr als 4.000 Verkaufspunkte in der D-A-CH-Region.

Digitales Lesen und Hören: Der Marktanteil von Thalia im E-Book-Markt wird mit 25 Prozent angegeben. Die tolino Allianz konnte ihren Marktanteil am E-Reading-Markt auf 44 Prozent ausbauen; der Hörbuch-Marktanteil im stationären Buchhandel wurde von 35 auf 42 Prozent ausgebaut. Zu den Corona-Gewinnersortimenten zählen auch Spielwaren. Das Segment nimmt bei Thalia bereits einen Sortimentsanteil von 10 Prozent ein (plus 2 Prozent).  

Im März 2020 gründeten Thalia und Osiander die Einzelhandelsplattform "shopdaheim.de/at", das Angebot umfasst mit Stand heute rund 25.000 Einzelhändleradressen aus über 130 Branchen. Ab sofort haben Händler die Möglichkeit, individuelle Profile anzulegen mit tagesaktuellen Informationen anzulegen, kündigte Busch an.  

Innenstädte und Pandemie-Schäden

Mit der Kampagne "Das Leben gehört ins Zentrum", einer Demonstration vor dem Bundeskanzleramt und der  Lichtaktion "Die Stadt lebt" hat sich Thalia für vitale und attraktive Innenstädte eingesetzt. Außerdem engagierte sich der Buchhändler für die Impfkampagne "Leben statt Lockdown", an der sich aktuell 34 Unternehmen beteiligen. Trotz starker Wachstumsraten des E-Commerce-Anteils am Gesamtumsatz setzt Busch weiterhin auf den Ausbau auch des stationären Buchhandelsnetzwerks. "Die Innenstädte in Deutschland sind nicht tot. Aber sie haben geblutet und brauchen eine Frischzellenkur", sagte der Thalia-CEO. Diese könne nur gelingen im gemeinsamen Bemühen des Einzelhandels insgesamt und der Kommunen. Nach wie vor sei die Buchhandlung der bestgeeignete Ort der Beratung, der "erlebbaren Auswahl", der Inspiration, der Bildung – und nicht zuletzt des Live-Events und der Debatten-Kultur.