C.H. Beck verabschiedet Martin Hielscher

Die Feier des Lektors

24. Juli 2023
von Sabine van Endert

Ein Literaturfest zu Ehren von Martin Hielscher: Der Programmleiter Belletristik übergibt seine Aufgaben nach 22 Jahren an Susanne Krones. Der Verlag C.H. Beck lud am 21. Juli zum Abschiedsfest, über 250 Gäste kamen. Hielschers Können wurde von Autor:innen und Kolleg:innen gewürdigt, er selbst bedankte sich mit einer Rede, in der er an seinen Lieblingsautor erinnerte, den 2019 verstorbenen Ernst Augustin. Ein berührender Abend, der einen Berufsstand feierte: den des Lektors.    

Rührende Geste: Stefan von der Lahr und Martin Hielscher

Das Jazz-Duo Susanne Riemer und Wilhelm Geschwind hatte es nicht leicht – die Gespräche im großen Zelt im Hof des C.H. Becks Verlags in München waren laut und fröhlich, zeugten von Wiedersehensfreude und gewachsenen Beziehungen. 250 Gäste waren da, natürlich die Autor:innen des Hauses und die Verlagskolleg:innen, auch Übersetzer:innen, Kritiker:innen, Buchhändler:innen, Buchgestalter:innen und Agent:innen.

„Es tut fast weh, Ihre Unterhaltungen zu unterbrechen, aber Sie wissen, zur Beck’schen Haus- und Gartenfestregel gehört, dass es ein Programm gibt", sagte Verleger Jonathan Beck, der als Conférencier durch den Abend führte. Beim ersten Programmpunkt bekamen Susanne Riemer und Wilhelm Geschwind verdiente Aufmerksamkeit, das Jazz-Duo intonierte das Lied „Brot und Seele“ mit einem Text des Schriftstellers Norbert Scheuer (und später noch „Herbstlied“, ebenfalls getextet von Scheuer).

Hielscher, der Deep-Reader

Uwe Timm veröffentlicht seine Bücher bei Kiepenheuer & Witsch und hat Hielscher, der dort vor seinem Wechsel zu C.H. Beck Verlagslektor war, nicht in Köln, sondern 1995 in New York schätzen gelernt: Hielscher sei ein Fragender, ein Zuhörer, einer mit auffallend vielen Interessen, sagte Timm, und erzählte vom gemeinsamen Besuch eines bemerkenswerten Boxkampfs, der am Ende gar nicht stattfand - weder auf der Leinwand, die Timm und Hielscher auf ihren hinteren Plätzen im Blick hatten, noch im Boxring. Dafür braucht man Humor.

An dem und an Hielschers Art zu Lachen erfreut sich Uwe Timm, besonders aber an Hielschers Fähigkeit, sich in Autor:innen und Texte hineindenken zu können, an sein Feingefühl, an seine Fähigkeit zu zweifeln und „Überzeugungsarbeit abzubrechen, wenn der Autor ihm nicht folgt“. Es gehörten besondere Fähigkeiten dazu, sich „einen Text vorstellen zu können, ihn aber nicht ausführen zu dürfen“, so Timm. Der „Deep-Reader“ Hielscher sei ihm ein Freund geworden, auf dessen Urteil er vertraue.

Ein Hoch auf das Lektorat. Von Elke Heidenreich

Die nächste auf der Bühne: Elke Heidenreich. Die Autorin und begeisterte Literaturvermittlerin versteht es, einen Saal zu unterhalten. Und verhalf zuletzt der Gedichtsammlung „Der ewige Brunnen“, die bei C.H. Beck im Frühjahr neu aufgelegt wurde, mit großem Einsatz zu großem Erfolg.

In München zitierte sie aus Briefen mit Publikations- und Empfehlungswünschen, die sie in Fülle erreichen, und die sie netterweise „nicht an Martin weiter leitet“. Der habe ein „strenges Auge“ und zum Glück gebe es jetzt „das Internet, in dem alle veröffentlichen könnten“.

Sie zitierte den Buchgestalter Hans Peter Willberg, der gesagt habe: „Wären unsere Autos so gebaut wie unsere Bücher, wären die Straßen voller Toten.“ Autor:innen bräuchten einen Lektor, dem sie vertrauen könnten. Solche habe sie immer gehabt, „und vor wie vielen Torheiten haben die mich bewahrt“, so Heidenreich, die bei Hanser veröffentlicht und dort auch bleiben möchte. Regelmäßig bekomme sie von anderen Verlagen viel Geld für einen Wechsel geboten, für Autor:innen, die wegen besserer Vorschüsse ihren Verlag und damit ihr Lektorat verlassen, zeigte sie wenig Verständnis.

Drei Bücher hatte sie für Hielscher als Abschiedsgeschenk dabei: „Langsamer“ von Ilma Rakusa, Untertitel: „Gegen Atemlosigkeit, Akzeleration und andere Zumutungen“. Ein (mittlerweile vergriffenes) Buch von Peter Sturtz mit Schnelllesetechniken und den Roman „Endlich Nichtleser“ von Gion Mathias Cavelty. Das Gelächter war groß.  

„Einige von uns haben den inneren Martin im Ohr“

C.H.Beck-Autorin Zora del Buono

Für ihren Lektor

Es gab mehr Geschenke: „Einige von uns haben den inneren Martin im Ohr“ sagte C.H.Beck-Autorin Zora del Buono und überreichte Martin Hielscher ein Hörbuch mit persönlichen Texten von „seinen“ Autor:innen Nico Bleutge, Zora del Buono, Jan Bürger, Kurt Drawert, Catalin Florescu, Marjana Gaponenko, Matthias Göritz, Sabine Gruber, Stefan von der Lahr, Jonas Lüscher, Michael Maar, Adolf Muschg, Dirk von Petersdorff, Hans Pleschinski, Norbert Scheuer, Jochen Schmidt, Elke Schmitter, Benjamin Stein, Tina Uebel und Ulrich Woelk, das für alle Gäste auch zum Mitnehmen auslag. 

Für die direkten Kolleg:innen würdigte Stefan von der Lahr, Autor und bei C.H. Beck Lektor für den Bereich Altertumswissenschaften, Hielschers Verdienste. Er hob dabei besonders die Unwägbarkeiten von Erfolgen in der Belletristik und Hielschers Umgang damit hervor. Belletristik-Lektorin Agnes Brunner überreichte das Geschenk der Kolleginnen und Kollegen aus dem Verlag – eine Reise zu Europas größtem Festival für afrikanische Musik und Kultur in Würzburg.

Standing Ovations für Martin Hielscher

Zum Schluss die Abschiedsrede von einem sichtlich gerührten Martin Hielscher, der wenig über sich sprach, stattdessen an den 2019 verstorbenen Ernst Augustin erinnerte.

Hielscher bedankte sich bei seinem Verlag, bei Wolfgang und Jonathan Beck, er bedankte sich für das große Fest, die Liebesbekundungen seiner Weggefährt:innen und auch bei seiner Familie. Hielscher erzählt von seinem ersten Telefongespräch mit seinem Lieblingsautor Augustin, von dessen Haus in München, in dem jeder Raum einer "phantasiesprengenden Sensation" gleichkam, von einem der letzten Geburtstage mit Stretch-Limousine und Sonnenbrillen, so wie es Augustins Wunsch war.

Augustin stand 2012 mit seinem Roman „Robinsons blaues Haus“ auf der Shortlist für den Deutschen Buchpreis, er sei „der ewige Geheimtipp“ geblieben. Für ihn, Augustins Lektor, war er so viel mehr.

Hielscher wünschte seiner Nachfolgerin Susanne Krones und Belletristik-Lektorin Agnes Brunner viel Glück – und wurde mit anhaltendem Applaus verabschiedet, für den sich ausnahmslos alle von ihren Plätzen erhoben. Spät ging der Abend im Foyer des Verlags zu Ende.