Kommentar zu E-Book-Zahlen

Hybridkäufe nahmen 2020 zu

9. März 2021
von Michael Roesler-Graichen

Die Corona-Pandemie hat nicht nur dem E-Book-Markt einen Schub gegeben, sondern auch Kaufgewohnheiten verändert. Die Zahl der Hybridkäufer*innen ist deutlich gestiegen.

Die Corona-Pandemie hat dem E-Book-Publikumsmarkt 2020 in Deutschland einen deutlichen Wachstumsimpuls gegeben, wie die im Auftrag des Börsenvereins von der GfK ermittelten Zahlen belegen. Nachdem das Umsatzwachstum am Publikumsbuchmarkt 2019 bei 0,6 Prozent verharrte und auch in den Vorjahren höchstens einstellig war, liegt es 2020 gegenüber dem Vorjahr bei 16,2 Prozent. Zu verdanken ist dies vor allem dem Geschäft im zweiten und dritten Quartal, während der Absatz im vierten Quartal gegenüber dem Vorjahr wieder rückläufig war.

Es spricht einiges dafür, dass das hohe Umsatz- und Absatzniveau im zweiten Quartal durch den Lockdown begünstigt wurde – auch wenn dieser bereits am 20. April endete. Der Bedarf an Lektüre-Erlebnissen war während des Lockdowns allgemein hoch (was der gestiegene Anteil an Belletristik-E-Books bestätigt), und die Buch-Lieferzeiten in Teilen des Online-Handels (vor allem bei Amazon, das andere Waren in der Beschaffung, Lagerung und Auftragsbearbeitung priorisierte) waren während dieses Zeitraums länger als sonst.

Leser*innen, die sonst überwiegend Buchläden besucht und / oder physische Exemplare in Online-Shops bestellt haben, dürften in den Lockdown-Wochen verstärkt auf E-Books ausgewichen sein, um so kontaktlos Bücher kaufen zu können. Dabei scheinen sie auch bereit gewesen zu sein, höhere Preise zu akzeptieren. Der von den Käufer*innen im Schnitt bezahlte Preis nahm im Gesamtjahr um 4,9 Prozent gegenüber 2019 zu. Insgesamt lag die Zahl der E-Book-Käufer*innen um 3,3 Prozent über dem Vorjahr (120.000 Personen mehr).

Ein weiteres Ergebnis der Studie bestätigt die Ausweich-Hypothese: Die 2020 auf 5,6 Prozent Reichweite gestiegene Zahl der E-Book-Käufer*innen ist auch auf den deutlich gestiegenen Anteil an Hybridkäufer*innen zurückzuführen. Mit 67 Prozent war er im vergangenen Jahr doppelt so hoch wie der Anteil der E-Only-Käufer (2019 lag er noch bei 58,9 Prozent). Einiges spricht zudem dafür, dass vor allem Vielleser*innen mehr E-Books kauften: denn die Kaufintensität und damit auch die Summe der Ausgaben stiegen stärker als die Zahl der Käufer*innen (plus 7,2 Prozent bzw. 12,5 Prozent).

Das veränderte Kaufverhalten hat sich dann offenbar über das Lockdown-Ende hinweg fortgesetzt. Sonst wäre nicht erklärbar, weshalb auch im dritten Quartal das Umsatz- und Absatzniveau erheblich höher als noch im ersten Quartal (dort kaum eine Veränderung zum Vorjahr) war. Eine zusätzliche Ursache für das hohe Niveau im dritten Quartal könnte aber auch der Beginn der Feriensaison gewesen sein. Der deutliche Absatzrückgang im vierten Quartal wiederum könnte damit zusammenhängen, dass viele Käufer*innen nach der Feriensaison und im Weihnachtsgeschäft dem gedruckten Buch den Vorzug gegeben haben.

Es ist durchaus vorstellbar, dass E-Book-Käufe im Pandemiejahr noch mehr Potenzial hätten entfalten können, als die GfK-Zahlen jetzt ausweisen. Denn neben dem E-Book-Publikumsmarkt hat auch das E-Lending in besonderer Weise von der Pandemie profitiert, wie E-Book-Lieferanten und -Distributoren bestätigen. Die Versorgung mit kostenfreien E-Books aus Stadtbüchereien und Bibliotheken ist inzwischen flächendeckend ausgebaut worden – und es ist nicht unwahrscheinlich, dass den Verlagen durch die extensive Nutzung der Onleihe-Lizenzen Erlöse entgangen sind, die dringend für Investitionen benötigt würden.

So präsentiert sich der E-Book-Markt 2020 mit Licht und Schatten:

  • Die Flexibilität der Buchkunden hat zugenommen. Es gibt deutlich mehr Hybridkäufer*innen.
  • Die Akzeptanz für höhere Preise ist gestiegen.
  • E-Lending in Bibliotheken profitiert von der Wachstumsdynamik, schmälert aber die Ertrags- und Investitionsbasis der Publikumsverlage.