Kleist-Preis für Daniela Seel
Der mit 20.000 Euro dotierte Kleist-Preis geht in diesem Jahr an die 1974 in Frankfurt am Main geborene Lyrikerin, Autorin, Übersetzerin und Verlegerin Daniela Seel.

Der mit 20.000 Euro dotierte Kleist-Preis geht in diesem Jahr an die 1974 in Frankfurt am Main geborene Lyrikerin, Autorin, Übersetzerin und Verlegerin Daniela Seel.
Die Verleihung soll am 23. November während einer Matinée im Deutschen Theater Berlin erfolgen. Gemäß der Tradition des Kleist-Preises hat der Autor und Journalist René Aguigah – als von der Jury der Heinrich-von-Kleist-Gesellschaft gewählte Vertrauensperson – Daniela Seel als Preisträgerin bestimmt.
"Daniela Seel lässt Wörter und Dinge vibrieren. Steine, Gräber und Schnee finden sich in ihren Gedichten – oder ein Kinderkrankenhaus, das Teil der deutschen Tötungsmaschinerie war. Eva, die das Paradies verlässt, begegnet Alexander von Humboldt, der Amerika bereist. Ermordete Kinder tauchen neben Kindern auf, die ihre Mutter das Sterben lehren – und die dem Text Leben einhauchen. All das in Versen, die ihr heterogenes Material in Bewegung versetzen. Laute fließen ineinander, Wörter werden gestrichen, Zeilen greifen über. Schließlich ist das lesende Auge eingeladen, in den Text einzusteigen. Erst tätige Rezeption ergibt hier Sinn, und mehr als nur einen. Fließende Über-gänge: Das gilt auch für die verschiedenen Gedichtbände der Autorin. Bestimmte Motive ziehen sich von 'ich kann diese stelle nicht wiederfinden' (2011) bis 'Nach Eden' (2024) in immer neuer Gestaltung. Die Arbeit an der Sprache, die zugleich verunsichert und neue Möglichkeiten eröffnet, ist nur eine der Verbindungen mit dem Werk Kleists. In einer Gegenwart, die den gesunden Menschenverstand in seiner erbarmungslosen Eindeutigkeit an die Macht bringt, gehört Daniela Seels Lyrik in den Werkzeugkoffer fürs Überleben."
Mit Daniela Seel wird eine Autorin mit dem Kleist-Preis geehrt, für die Lyrik eine Lebensform ist, so die Kleist-Gesellschaft. Seel arbeite nicht nur selbst als Lyrikerin, sie habe sich auch als Verlegerin von Lyrik einen Namen gemacht. 2003 gründete sie zusammen mit dem Grafiker Andreas Töpfer den Verlag kookbooks, der sich für hybride poetische und essayistische Formen einsetzt und das Publizieren als künstlerische Praxis begreift. Bei kookbooks erschienen auch ihre ersten Gedichtbände ich kann diese stelle nicht wiederfinden (2011) und was weißt du schon von prärie (2015). Sowohl die beiden Bände als auch der Verlag wurden vielfach ausgezeichnet, ihre Gedichte in 13 Sprachen übersetzt. Im ebenfalls auf Lyrik spezialisierten Verlag Peter Engstler erschien 2019 der Gedichtband "Auszug aus Eden". Daniela Seels jüngster Band Nach Eden (2024) erschien im Suhrkamp Verlag und versucht Sprache in der Form des Langgedichts neu zu fassen und neu zu leben.
Der Kleist-Preis wird von der Holtzbrinck Publishing Group, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien sowie den Ministerien für Wissenschaft, Forschung und Kultur der Länder Berlin und Brandenburg gefördert. Er hat eine lange Tradition. In den 10er und 20er des letzten Jahrhunderts wurden u.a. Hans Henny Jahnn, Bertolt Brecht, Robert Musil oder Anna Seghers ausgezeichnet. Nach der Wiederbegründung des Preises 1985 hießen die Preisträger:innen u.a. Alexander Kluge, Thomas Brasch, Heiner Müller, Ernst Jandl, Monika Maron, Herta Müller, Emine Sevgi Özdamar, Daniel Kehlmann, Wilhelm Genazino, Arnold Stadler, Navid Kermani, Marcel Beyer, Monika Rinck, Yoko Tawada, Christoph Ransmayr, Ilma Rakusa, Clemens J. Setz, Esther Kinsky, Thomas Kunst und zuletzt Sasha Marianna Salzmann.
Die Jury des Kleist-Preises, die die Vertrauensperson auswählt und ihr potentielle Preisträger:innen vorschlägt, bestand aus sieben Mitgliedern: Andrea Bartl (Universität Bamberg), Florian Borchmeyer (Dramaturg und Kurator), Anne Fleig (Freie Universität Berlin), Johannes Franzen (Universität Siegen; Kritiker) Janika Gelinek (Literaturhaus Berlin), Claudia Kramatschek (Kritikerin) und Simone Schröder (Internationales Literaturfestival Berlin).