Wer sind die Treiber? Die Kämmerlings‘ oder die Leser*innen? Ein Muntermacher-Beispiel von vielen:
Am 25.05. findet sich im Langendorfs Dienst die Überschrift „Wie die Buchhandlung Funk trotz Krise Mehrumsätze erzielte“. Was war da los in Bergisch-Gladbach? Und stimmt die Formulierung „trotz“? Inzwischen stellt sich heraus: Die Independents haben während der Krise (Sie erinnern sich: Amazon lieferte nicht mehr oder mit großer Verzögerung) den Buchmarkt am Laufen gehalten. Es hat sich etwas ereignet, womit niemand gerechnet hatte: Die unabhängigen Buchhandlungen waren im Lockdown Gewinner in einem geradezu biblischen Ausmaß. Ausgerechnet die Händler, die innerhalb der Buchbranche (hinter vorgehaltener Hand) als gestrig und todgeweiht deklassiert wurden, zeigten, was sie drauf haben. Sie entpuppten sich als Helden ihrer Kund*innen: mit nie vermuteter Kreativität, mit unfassbarem persönlichem Einsatz. Im Vergleich zu anderen Einzelhandelssparten zeigte sich: Die Independent-Buchhändler (ja richtig, leider nicht alle – aber die aktiven) waren nicht das Schlusslicht, sondern ganz vorn. Wie konnte das passieren?
Leser*innen, abgewanderte Leser*innen, neue Leser*innen: Verstehen wir wirklich, wie viele Menschen Autor*innen und Büchern Vertrauen und Respekt entgegenbringen, welche Glaubwürdigkeit und Nähe sie heute erwarten? Wo stehen wir?
In seinem aktuellen Video „Die Zerstörung der Presse“ kritisiert Rezo eine mangelnde Haltung, mangelnde Transparenz und „menschenfeindliches Verhalten“ vieler etablierter Medienhäuser. „Leser“ versus „Macher“ – es mag krass klingen, aber hier gibt es den großen Frust. Auf allen Seiten, wie wir aus unseren Projekten wissen: Autoren, Journalisten, Lektoren, Verlagsleiter, Buchhändler. Ein Frust, der von außen gesehen völlig absurd wirkt. Warum ist das so? Wie können wir Kundennähe, gegenseitigen Respekt und Vertrauen – also das, was mit „Kundenbindung“ intendiert ist - signifikant erhöhen?
Die Gründer des Mentor Verlags, Niclas Rohrwächter und Philipp Scharff, gehören zu den spannendsten Innovatoren der Branche und verstehen sich als „Verlag des 21. Jahrhunderts“. Ihr zentrales Learning ist gleichzeitig eine Antwort auf die Frage der fehlenden Kundennähe: In traditionellen Verlagen sei der Weg vom Autor zum Kunden, zum Leser „endlos lang“. Was tun? Die für den Sales Award 2019 Nominierten setzen auf Performance Marketing, seit diesem Jahr auch auf den Buchhandel.
Ein weiteres Beispiel für hellwache Kund*innen und Leser*innen:
„Ich gehöre sicher nicht zu den Superreichen", sagt Ulrike Pauli in der Süddeutschen Zeitung vom 13. April. Sie ist Lehrerin und ihr Osterurlaub fällt ins Wasser. Und was macht sie? Sie spendet ihrer Buchhandlung eine volle Monatsmiete, eröffnet eine Website und sucht Gleichgesinnte, die kleine Läden ebenfalls unterstützen wollen.