Streichungen: WDR3-Programmchef antwortet

LiteraturRat NRW sieht Fragen offen

28. Januar 2021
von Börsenblatt

In einer E-Mail an seine Mitarbeiter hatte der WDR Streichungen im Literaturprogramm angekündigt – und damit eine Protestwelle ausgelöst. WDR3-Programmchef Matthias Kremin versucht nun, zu beschwichtigen. Für den LiteraturRat NRW, der nun daraufhin Gesprächsangebot vorlegt, bleiben noch Fragen offen.

In einem Interview, das auf der Website des WDR nachzulesen ist, sagt WDR3-Programmchef Matthias Kremin, es sei "schlichtweg Unsinn", dass der WDR sein Literaturangebot zusammenstreichen wolle. Auslöser für den Vorwurf sei wohl eine "unabgestimmte Mail" an über 30 freie Mitarbeiter*innen gewesen, versucht er zu beschwichtigen. Die Literaturberichterstattung bei WDR 3 stehe nicht zur Diskussion. "Es geht lediglich darum, dass sie nicht auf einem vereinzelten Sendeplatz am Morgen im immer gleichen Format ausgespielt wird". so Kremin. Literatur habe einen extrem hohen Stellenwert bei WDR 3. "Das wird auch so bleiben. Wir wollen mehr Menschen mit Literatur und Debatten darüber erreichen."

Deshalb werde es in der WDR 3-Morgensendung "Mosaik" nicht weniger Zeit für Literatur geben, vielmehr werde die Auseinandersetzung mit Literatur abwechslungsreicher, innovativer und vielfältiger. Es gehe um die Öffnung von Literatur für verschiedene Formen der Darstellung zu unterschiedlichen Zeiten am Tag. Es gehe nicht explizit darum, Literatur im Gesamtprogramm von WDR 3 zu kürzen, sondern man wolle Literatur zeitgemäß vermitteln.

Und er weist etwa auf die Sendungen "Stoff", "Gutenbergs Welt" und "Kulturfeature" hin. Die Sendung "Lies' mir was vor!", in der von März bis August 2020 Klassiker der Weltliteratur vorgstellt worden, soll fortgesetzt werden.

Das komplette WDR-Interview finden Sie hier.

LiterraturRat NRW: "Die Verengung auf den Mainstream halten wir für schädlich"

Es sei nichts dagegen einzuwenden, "Literatur zu verschiedenen Zeiten im Programm von WDR 3 vorkommen zu lassen und damit sogar ggf. mehr Literaturthemen ins Programm zu heben", erläutert der LiteraturRat NRW in einer Mitteilung vom 28. Januar bezüglich der Stellungnahme von Matthias Kremin. Aber: "Mehr Flexibilität darf nicht dazu führen, dass seriöse Literaturkritik abgebaut wird!"

Zudem vermisst der LiterraturRat nähere Ausführungen zur Absicht, "die Berichterstattung über Bücher und literarische Themen danach zu richten, was aktuell und 'gesprächswertig' ist". Es stehe zu befürchten, dass bei WDR 3 nur noch laufen solle, was auch überall anders zu lesen, zu hören und zu sehen sei und dem Publikum bereits bekannt war. Mit Entdeckungen jenseits des Mainstreams werde so nicht mehr zu rechnen sein. "Bücher kleinerer Verlage oder noch unbekannter Autor*innen werden nicht mehr vorkommen. Das wäre ein harter Verlust für die Literaturszene im Allgemeinen und der in NRW im Besonderen, den wir nicht hinnehmen können", so der LiteraturRat.

"Die angekündigte Verengung des literarischen Spektrums auf den Mainstream, auf Bestsellerlisten und womöglich Starautor*innen, halten wir für schädlich. Wir fordern die Programmleitung von WDR 3 auf, die Literatur weiterhin in ihrer ganzen Bandbreite im Programm wiederzugeben!" 

Weiter kritisiert der LiteraturRat, dass Kremin die Streichung des "Lesezeichens" und den Wegfall der samstäglichen Gesprächsstrecke nicht erwähne. Nur vage äußere er sich dazu, was aus dem Gedicht werden soll. Diese Programmplätze seien für die Sichtbarkeit, aber auch als Einkommensquelle (Lizenzgebühren) von Autorinnen und Autoren existenziell wichtig. Und zwar gerade im linearen Programm. "Diese Repräsentationsmöglichkeiten für die Schreibenden in NRW müssen erhalten bleiben!", fordert der LiteraturRat.

Bereits im November habe man erfahren müssen, dass WDR 5 sein Aushängeschild, den "Literaturmarathon", abschaffen und die Sendung Ohrclip halbieren werde. "Auch das möchten wir nicht einfach akzeptieren."

"Wir würden uns freuen, wenn die WDR 5-Wellenleitung unser Angebot annehmen und uns einladen würde, bei der Konzeption von alternativen Formaten unterstützend mitzuwirken", streckt der LiteraturRat NRW die Hand aus. "Gegen flexible Programmgestaltung ist nichts einzuwenden. Aber die Literatur in ihrer ganzen Bandbreite muss weiterhin einen festen Platz im WDR-Programm haben." Man sei jeder Zeit bereit, ein Gespräch mit dem Sender zu führen.