Festival-Bilanz

2.000 Besucher*innen bei LIT:potsdam

13. August 2020
von Börsenblatt

Unter Beachtung der Hygienevorschriften konnten beim Festival LIT:potsdam (4. bis 9. August) rund 2.000 Besucher*innen 35 Autor*innen begegnen. Die meisten der rund 30 Veranstaltungen waren schnell ausverkauft.

Die Autor*innen stellten ihre neuen Bücher vor, diskutierten über aktuelle gesellschaftliche und politische Themen und kamen mit den Zuschauer*innen bei Signierstunden ins Gespräch. Zur Eröffnung des Festivals berichteten Jan BrandtAnke Stelling und Lea Streisand, wie Geschichte die Herkunft prägt und den Blick auf die Zukunft ausrichtet. Dabei standen die eigene Wohnung, das Haus in der Stadt oder auf dem Land als Selbstverwirklichungsmilieu im Mittelpunkt. Gerade in den letzten Monaten prägte das die Schriftsteller*innen selbst; so erzählte Jan Brand, wie Corona bei ihm eine Imaginationskrise bewirkt habe, seine Vorstellungskraft nur beflügelt werde, "wenn draußen das Leben tobt".

Ein Höhepunkt des Festivals war die Foto-Ausstellung von Literaturnobelpreisträger Orhan Pamuk. Als leidenschaftlichen Archivar, der die Seele der Stadt beschreiben will, bezeichnete Joachim Sartorius Pamuk. In seinen Fotos dränge sich das Wiederkehrende auf, es seien Wiederholungen, die die Vielfalt der Welt erschaffen und zu genauem Hinsehen auffordern: Pamuk möchte mit dem orangenen Licht der alten Gaslaternen die Stimmung seiner Jugend festhalten und das Istanbul dokumentieren, das zu entschwinden drohe.

Um Sprachmelodie, den Klang der Sprache, ging es dem Writer in Residence Matthias Brandt, der erzählte, dass er stets laut lese, was er aufgeschrieben hat. Im Gespräch mit Wiebke Porombka über seinen Roman „Blackbird“ verriet er, dass es für ihn keine nicht-autobiografische Literatur gebe. Seine Referenz gilt den 70er Jahren, der Gefühlswelt seiner Kindheit und Jugend, in der der Blick auf die Zukunft grundsätzlich positiv geprägt gewesen sei. Erwachsenwerden bedeute „das allmähliche Einschleichen der Gleichzeitigkeit“. Die Zusammenführung von unterschiedlichen Zeitebenen geschieht auch im Film „Transit“, den Matthias Brandt gemeinsam mit Christian Petzold vorstellte. Der Film nach dem gleichnamigen Roman von Anna Seghers, eine Fluchtgeschichte während des Zweiten Weltkriegs, spielt in der Gegenwart, aber mit den Figuren der Zeitgeschichte und zeigt, wie das Gestern und das Heute sich begegnen.

"Einüben aufs Sterben" ist für Literaturkritiker Denis Scheck die eigentliche Bedeutung des Lesens. Im Gespräch mit Anne-Dore Krohn stellte er heraus, dass Lesen unsere Todesangst in Schach halte. In "Schecks Kanon" fasst er 100 unterschiedliche Werke der Weltliteratur zusammen und bekannte sich zu seiner Auswahl frei nach dem Vorbild "Karlsson auf dem Dach": "Schabernacken ist unsere Aufgabe, daher beziehen wir unsere Relevanz". Es brauche "kindliche Besessenheit", damit die Literatur einen anderen Blick auf die Welt öffnet.

Familientag und Brandenburger Bücherfest

Beim erstmals organisierten Familientag im Park der Villa Jacobs mit Blick auf den Jungfernsee waren Kinder wie Erwachsene zu Gast. Birte Müller stellte ihr "Leben mit Willi" vor, ihrem Kind mit Downsyndrom. Cornelia Franz las die Auswanderergeschichte eines 12-jährigen Mädchens, das 1920 nach Amerika ging. Tina Kemnitz präsentierte fünf Bücher in ihrer Buch-Empfehlungsshow. Und Kinder- und Jugendbuchstar Ursula Poznanski las aus "Erebos", über ein Computerspiel, das in die Wirklichkeit eingreift. Das aufgrund der Corona-Pandemie ausgefallene Schulprogramm – ein fester und seit Jahren wachsender Bestandteil des Festivals – wird im gerade begonnenen neuen Schuljahr nachgeholt.

Am Festivalsonntag feierte LIT:potsdam das Brandenburger Bücherfest: Verlage und Buchhandlungen präsentierten sich mit Ständen im Areal Treffpunkt Freizeit am Heiligen See, flankiert von Open-Air-Lesungen und Mitmach-Aktionen, darunter ein Podcast-Workshop.

 

Ab September erscheinen nach und nach Podcasts, Mitschnitte von Veranstaltungen und Back-Stage-Informationen, die bei Streamingdiensten und auf der Website www.litpotsdam.de zur Verfügung stehen.