Deutsch-Französischer Jugendliteraturpreis

Misstrauen und Vertrauen

18. Oktober 2021
von Börsenblatt

Am 15. Oktober wurden die Schriftstellerinnen Grit Poppe und Delphine Pessin mit dem mit 16.000 Euro dotierten Deutsch-Französischen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet.

In diesem Jahr wurde der Preis in der Kategorie Jugendbuch vergeben. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans und Karin Fouledeau, Kulturattachée der französischen Botschaft, überreichten die Urkunden in Saarbrücken. Dabei betonte Tobias Hans die Brückenfunktion dieses bilateralen Jugendliteraturpreises: "Er trägt nicht nur zur Vertiefung des literarischen Brückenbaus zwischen unseren Ländern bei, sondern er fördert auch den grenzüberschreitenden Dialog junger Menschen. Damit werden Grenzen überwunden und neue Horizonte eröffnet."

Grit Poppe "Verraten"

In ihrer Laudatio hob Jurorin Alexandra Rak bei Grit Poopes Buch "Verraten" (Dressler) die eindrücklichen Einblicke in zwei jugendliche Lebensläufe in der DDR 1986: die des 15- jährigen Sebastian und der Ausreißerin Katja. "Grit Poppe hat intensiv über Heimerziehung und das Anwerben jugendlicher Stasi-Spitzel recherchiert; sie führt mit einfühlsamen inneren Monologen die Manipulierbarkeit von Menschen vor, zeigt Gewissenskonflikte und wie man sowohl mit Drohkulissen als auch mit schmeichelndem Vertrauen Jugendliche instrumentalisieren kann. Poppes sehr genauen, aufwühlenden Beschreibungen offenbaren, wie die Gesellschaft in totalitären Staaten funktioniert – wo muss ich mich unterwerfen, wo mache ich Kompromisse?" Das Verlieren der menschlichen Würde sei, so werde im Roman deutlich, perfide geplant und systemimmanent.

Delphine Pessin "Deux fleurs en hiver"

In seiner Begründung für Delphine Pessins "Deux fleurs en hiver" (Didier Jeunesse) ging Juror Gilles Buscot auf den intergenerationellen Austausch zwischen der jungen Capucine und der alten Violette ein: "Zwei Blumennamen. Zwei entwurzelte Leben unter einem Dach: Ein Pflegeheim, in dem erstere Praktikantin und die zweite neue Bewohnerin ist. Dort trifft die jüngere, die ihre Verletzungen unter bunten Perücken verbirgt, auf die ältere, die nicht mehr lächelt." Capucine, eine Spezialistin des Lächelns, sei mal Bumerang, mal Schutzschild … Das gemeinsame Unwohlsein helfe, sich gegenseitig zu unterstützen, einander zu vertrauen, Geheimnisse zu teilen, die sehr schwer zu tragen sind, und sie ermutigen, sich zu engagieren und zu handeln. Als es auf den Karneval zugeht, kommen die Erinnerungen an den Mai 1968 wieder hoch, und die ganze Einrichtung wird von dieser generationsübergreifenden Komplizenschaft und von diesem (wieder-)gewonnenen Vertrauen angesteckt. "Ohne die Wirklichkeit vor Ort zu beschönigen, will dieser Roman dazu ermutigen, den eigenen Platz zu finden und der eigenen Berufung zu folgen. Bis zum Ende. Über Unterschiede und Vorurteile hinaus."

Über den Preis

Der Deutsch-Französische Jugendliteraturpreis ist ein Preis für zeitgenössische Jugendliteratur in Deutschland und Frankreich. Er wird jährlich für ein herausragendes Werk der deutschen und französischen Kinder- und Jugendliteratur an eine*n deutschen und eine*n französischsprachige*n Jugendbuchautor*in verliehen; die Preissumme liegt bei je 6.000 Euro für den Autor/die Autorin und je 2.000 Euro als Zuschuss für einen Verlag, um eine Übersetzung in die jeweils andere Sprache zu ermöglichen. Die Vergabe des Preises liegt bei der Stiftung für die deutsch-französische kulturelle Zusammenarbeit und der Europäischen Kinder- und Jugendbuchmesse. Ziele des Preises sind die Vertiefung des literarischen Brückenbaus zwischen Deutschland und Frankreich und die Förderung bisher weniger bekannter zeitgenössischer Jugendbuchautoren. 2021 wurden die Priese in der Sparte Jugendbuch vergeben; für 2022 können Verlage ab sofort Bücher für die Sparte Erzählendes Kinderbuch einreichen.