Lesetipp

Thomas Brussig trennt sich von S. Fischer

25. Juli 2022
von Börsenblatt

Nach einer Auseinandersetzung mit S. Fischer und der Verlegerin Siv Bublitz fordert Thomas Brussig die Rückgabe der Rechte an seinen Titeln. Er wolle seine Bücher nicht mehr in ihren Händen wissen, schrieb er an die Verlegerin. Unzufrieden ist er mit dem Umgang einer Beschwerde eines real existierenden Charakters in seinem Roman „Das gibt’s in keinem Russenfilm“. Über Pressevertreter der FAZ, des NDR und anderen Medien machte er sein Anliegen publik. 

Thomas Brussig

Seit 1995 veröffentlichte Thomas Brussig bei S. Fischer, doch sein jüngster Roman ist bereits bei Wallstein erschienen. Die Beziehung zu dem Frankfurter Verlag hat nun ein jähes Ende.

Kern des Problems mit S. Fischer ist für Brussig der Umgang mit einer Beschwerde. Im 2015 erschienenen Roman „Das gibt’s in keinem Russenfilm“, der auch auf wahren Begebenheiten beruhe, erzählt der Schriftsteller von einem Kompanieführer. Der habe Brussig damals sein verbotenerweise geführtes Wehrdienst-Tagebuch weggenommen und vor versammelter Mannschaft vorgelesen, ehe er es an die Stasi weitergab. Dieser Kompaniechef wird im Buch namentlich erwähnt. Unzufrieden mit seiner Rolle in dem Buch wandte sich jener Kompaniechef schon vor drei Jahren an S. Fischer und forderte Schadenersatz oder ein Verbot des Buches.

Brussig bemängelt, dass sich S. Fischer nicht schützend vor ihn als Autor gestellt habe und die Forderungen des Kompaniechefs nicht abgelehnt habe. Stattdessen habe S. Fischer eine Einigung angestrebt mit der Verpflichtung, den Roman nicht mehr nachzudrucken.

”Sie opfern mein Buch, wenn eine Klage droht, obwohl Sie wissen, dass ein Gericht mein Buch schützen wird. Wenn Sie sogar einem DDR-Offizier mit seinen rechtlich haltlosen Forderungen über die Straße helfen, dann bin ich mit keinem meiner Bücher bei Ihnen sicher“, so Brussig in einem Brief an Siv Bublitz, welcher der FAZ und dem NDR offenbar vorliegt. 


Tatsächlich wurde nach Verlagsangaben jedoch vereinbart, bei einer Neuauflage den Namen des Kompaniechefs zu schwärzen. Weil das Buch seit der Beschwerde allerdings nicht nachgedruckt wurde, ist das Buch noch immer in der Originalfassung zu erwerben.

S. Fischer erläutert den Sachverhalt auf Nachfrage von FAZ und NDR ein wenig anders: Nach einer Einschätzung der Justiziarin sei die Bezeichnung des Kompaniechefs als „rotlackierter Faschist“ zwar als „Meinungsäußerung nachvollziehbar, als Tatsachenbehauptung in einer juristischen Auseinandersetzung möglicherweise anfechtbar“.

Eine gerichtliche Auseinandersetzung wollte man vermeiden, deshalb kam es zu bereits genanntem Kompromiss.

„Zu keinem Zeitpunkt haben wir erwogen, den Roman nicht mehr nachzudrucken, vom Markt zu nehmen oder ganze Passagen zu ändern. Im Gegenteil, in der Abwägung ging es dem Verlag darum, den Text vollständig weiter lieferbar zu halten und lediglich auf eine klare Namensnennung und damit Identifizierbarkeit zu verzichten“, so der Verlag weiter.

Brussig hingegen ist sich sicher, dass seine Äußerungen über den Kompaniechef durch die Kunstfreiheit abgesichert seien. 

Für FAZ-Redakteur Jan Wiele wird nach einem Videocall „mit dem halben deutschen Literaturbetrieb“ klar, dass der Bruch mit S. Fischer vor allem emotional begründet sei. Brussig habe ein Gefühl von Verrat.

S. Fischer und Siv Bublitz bedauern in einer Stellungnahme die Entscheidung Brussigs, sich vom Verlag zu trennen. Ein komplettes Statement zum Nachhören findet sich im Artikel des NDR: Thomas Brussig kündigt Fischer Verlag die Zusammenarbeit Dort interviewt der Sender Brussig außerdem ausführlich zum Vorfall.

Auch Jan Wiele berichtet in der FAZ ausführlich: Thomas Brussig trennt sich im Streit von S.Fischer