Frank Witzel erhält Joseph-Breitbach-Preis
Die Jury verleiht ihm den mit 50.000 Euro dotierten Preis für sein Gesamtwerk von Romanen, Tagebüchern und Essays. Witzel beschäftigt sich in ihnen mit den Abgründen der frühen Bundesrepublik.

Frank Witzel
Die Jury verleiht ihm den mit 50.000 Euro dotierten Preis für sein Gesamtwerk von Romanen, Tagebüchern und Essays. Witzel beschäftigt sich in ihnen mit den Abgründen der frühen Bundesrepublik.
Frank Witzel
Der Joseph-Breitbach-Preis wird von der Stiftung Joseph Breitbach und der Akademie der Wissenschaften und der Literatur / Mainz verliehen. In diesem Jahr geht er an den Schriftsteller und Musiker Frank Witzel, dessen Gesamtwerk in der deutschen Gegenwartsliteratur einzigartig sei und mit dem ihm eine phantastische Archäologie der untergegangenen Bundesrepublik gelungen sei.
Die Jury lobt Witzel für seine detailversessene Erzählkunst, mit der er "in seinen umfangreichen Romanen, Tagebüchern und Essays die Abgründe der frühen Bundesrepublik" erkunde und originelle Erinnerungsrecherchen biete. "Gegenstände wie Trockenshampoo-Dosen, Modelleisenbahnen, Fleckenentferner, Plattenspieler oder das Auto NSU Prinz entfalten ein Eigenleben und werden zu mitunter unheimlichen Gedächtnisträgern. In dem über 800-seitigen Mammutwerk "Die Erfindung der Rote Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" reimt sich ein dreizehnjähriger Junge zusammen, was nicht zusammenpasst. Das Nachkriegsdeutschland mit der untergründig wabernden Naziideologie und seiner zeithistorisch wie familiengeschichtlich aufgeladenen Objektwelt verbindet sich mit den Ereignissen des deutschen Herbstes; katholische Theologie, Heiligenlegenden und Psychoanalyse schießen ins Kraut. Die Kontrollinstanzen der Eltern lassen sich durch Popmusik aushebeln – seine Exegese des Albums "Rubber Soul" der Beatles ist in der deutschen Gegenwartsliteratur einzigartig. Überhaupt ähnelt Frank Witzel häufig eher einem DJ, der Theorien scratcht und Geschichten sampelt. Das Schreiben hat bei ihm einen zwiespältigen Charakter, aber Selbstironie und Humor bilden ein Gegengewicht. In dem Essay "Kunst als Indiz" stellt der Autor seine Fähigkeiten als Detektiv unter Beweis und legt eine glänzende Analyse der Krimiserie "Derrick" vor. Plötzlich offenbart ein Szenenbild die Paranoia der 1970er Jahre."
Zur Person:
Frank Witzel, 1955 in Wiesbaden geboren, lebt in Offenbach und Berlin. Seit seinem ersten Lyrikband 1978 veröffentlichte er mehr als ein Dutzend Bücher, für seinen Roman "Die Erfindung der Roten Armee Fraktion durch einen manisch-depressiven Teenager im Sommer 1969" erhielt er 2015 den Deutschen Buchpreis, für das gleichnamige Hörspiel 2017 den Deutschen Hörspielpreis. Sein zuletzt erschienener Roman "Inniger Schiffbruch" stand auf der Shortlist des Deutschen Buchpreises. Er hatte die Poetikdozentur der Universitäten Heidelberg, Tübingen und Paderborn inne und war 2017/2018 Inhaber der Friederichs-Stiftungsprofessur an der Hochschule für Gestaltung Offenbach. Die in Stuttgart aufgeführte Oper "Dora" von Bernhard Lang, für die Witzel das Libretto schrieb, wurde 2024 zur Uraufführung des Jahres gewählt. Im selben Jahr erhielt Witzel den Crespo Wortmeldungen Literaturpreis für seinen Essay "Die Möglichkeit einer Micky Maus".
Der Joseph-Breitbach-Preis ist mit 50.000 Euro dotiert. Die Verleihung findet am 19. September 2025 in Koblenz statt, der Geburtsstadt von Joseph Breitenbach. Im Letzten Jahr ging die Auszeichnung an Anne Weber.