Die Sonntagsfrage

Kommen jetzt die Klimaromane, Herr Zähringer?

5. Dezember 2021
von Börsenblatt

Am vergangenen Montag ist das Climate Cultures Festival Berlin über die Bühne gegangen ist. Wie war die Resonanz auf die internationale Veranstaltung? Ist der Klimawandel immer noch ausschließlich Science-Fiction-Stoff? Wird die Flutkatastrophe im Ahrtal möglicherweise bald im Roman verhandelt? Der künstlerische Leiter des Festivals, Martin Zähringer, hat Antworten. 

Ob jetzt die Klimaromane kommen? Sie sind schon da und es werden mehr - und ich bin froh darüber. Denn zum einen ist „Klima“ ein kulturbegründendes Moment, der Klimawandel verändert jedoch die Klimakulturen. Das entspricht anderen Shifting Baselines, etwa der digitalisierten Gesellschaft des 21. Jahrhunderts und es muss darüber geschrieben werden.

Auf unserem Climate Fiction Festival 2020 in Berlin haben wir ja schon viele gute Climate Fiction Autor:innen (Cli-Fi mit dem Fokus Europa) zu Tage gefördert, aber sogar dort kam die Angst auf vor den schlechten Romanen. Die Kritikerin und Moderatorin Sieglinde Geisel sagte nach einem Panel mit Joachim Schellnhuber, Iliya Trojanow und Maggie Gee, es graue ihr vor der kommenden Flut der schlecht gemachten CliFi-Romane.

Die Flutmetapher könnte stimmen, wieviel schlechte dabei sind, kann ich nicht beurteilen, weil ich längst nicht mehr alle Klimaromane lesen kann. Aber ich kenne doch die guten, auch weil sich die anglophone Kritik viel Mühe gibt mit ihrer Auswertung - Amitav Ghosh's „Die Inseln“ und Jenny Offill's „Wetter“, John von Düffels „Der brennende See“ oder Helene Bukowskis „Milchzähne“, um ein paar neuere zu nennen.

In neuen Verlagsprogrammen findet sich mehr in deutscher Sprache und Sieglinde Geisel selbst hat auf unserem diesjährigen Climate Cultures Festival „Planet schreibt zurück!“ den besten Klimaroman aus Kanada vorgestellt: Catherine Bush, Blaze Islands, noch nicht übersetzt, stilbildend, stimmungsvoll, empathisch. Ein resignierter Kimaforscher flieht mit seiner Tochter auf eine windige Insel im subarktischen Kanada, wo die Autorin dann ihr Panorama literarischer Klimatopoi entfaltet, von der ästhetischen Faszination Grönlandeis über die Schrecken der Klimastürme bis zu den fragwürdigen Geschäften des Geoengineering.

Fröhliches Lästern über den Anachronismus Bürgerlicher Roman

Interessant bei der Frage nach den „Klimaromanen“ - wenn ich die Literaturmarktsprache richtig verstehe, stellt sie ja Climate Fiction, Phantasy und Klima-Thriller ein wenig unter „den Roman“, das ist gerade die neue Rolle der Genreliteratur.

Beim Thema Klima hat sie sich mächtig emanzipiert, der meistgefragte Klima-Roman dieser Tage ist Kim Stanley Robinsons „Das Ministerium für die Zukunft“, was sich meiner Meinung nach auch dem kritisch geschulten Geist dieses Science Fiction Autors verdankt. Er lästert fröhlich über den Anachronismus Bürgerlicher Roman und verleiht seinem Werk das unkonventionelle Gepräge eines planetaren Kollektivromans. Robinson hat Erfolg, weil er jenseits seiner schockierenden Katastrophenszenarien konkrete Auswege sucht. In seinem Kaleidoskop des Klimawandels findet sich wirklich eine neue Poetik für eine Klimakultur, die ihre Sprache in unserer Literatur noch sucht. Ich hoffe sehr, dass sich viele Autor:innen dem anschließen können und künstlerisch wieder etwas wagen, es muss ja nicht Science Fiction sein; aber neue Schreibweisen und literarischer Wagemut dürfte dem Ernst der Lage besser entsprechen als weitermachen wie gehabt, siehe bürgerlicher Roman.