Sonntagsfrage

Was bringt ein RTL-Deutschquiz, Frau Kunkel-Razum?

14. August 2022
von Börsenblatt

Letzten Samstag lief bei RTL „Der große Deutsch-Test“, Promis wie Evelyn Burdecki sind zum Diktat angetreten. 1,38 Millionen sahen zu, genauso viele wie beim Best-of von „Joko & Klaas“. Was bringt eine solche Show für die Rechtschreibung? Lassen sich damit Rechtschreibkenntnisse verbessern? Oder gehen solche Shows auf Kosten derer, die eigentlich Unterstützung bräuchten? Ansichten von Duden-Chefredakteurin Kathrin Kunkel-Razum, die als Expertin beim RTL-Quiz dabei war.   

Kathrin Kunkel-Razum

Kathrin Kunkel-Razum

7 Fragen. 67-mal entscheiden zwischen A, B, C und D. Sechs Prominente grübeln und lachen und schielen, was am Nachbartisch eingegeben wird. Und dann auch noch ein Diktat! Es gewinnt eine Rechtsanwältin. Es verliert eine Reality-TV-Darstellerin. Wird hier nur das Klischee bedient?

Spaß am Spiel zur deutschen Sprache

Die 200 Gäste im Saal haben offensichtlich Spaß an dem Spiel zur deutschen Sprache. Sie sind Deutschlehrer/-innen, Autofans, Mitglieder von Schützenvereinen, Tätowierte oder sie gehören zur Gruppe „Flugpersonal“ und sie alle tippen fleißig mit. Es gewinnen die Lehrkräfte, dicht gefolgt von den Pilotinnen und Flugbegleitern. Und über eine Million Menschen an den Bildschirmen überlegen, was „Das ist voll lit“ wohl bedeuten könnte.

Freude und Frust an bzw. mit der eigenen Sprache

Was bringt ein solches Quiz? Ich glaube nicht, dass irgendjemand hinterher besser schreiben kann. Vielleicht verhakt sich ein Wort im Gedächtnis, von dem man nun endlich weiß, wie es geschrieben wird, eben weil einer der Prominenten es gerade falsch gemacht hat. Aber es ging ja längst nicht nur um Rechtschreibung, die Fragen kamen aus der Grammatik, der Stilkunde, der Literatur, der Gebärdensprache, den Dialekten und anderen Gebieten. Es ging um Sprachwissen und -beherrschung, Wettbewerb und „sportlichen“ Ehrgeiz, Austausch über sprachliche Kniffligkeiten, die alle von uns kennen und die die Gäste stellvertretend für alle lösen sollten. Letztlich ging es um ein Thema, das alle interessiert: um Freude und Frust an bzw. mit der eigenen Sprache.

Duden-Fragen wurden der RTL-Tonalität angepasst

Erarbeitet wurden die Fragen übrigens in enger Zusammenarbeit von RTL bzw. der Produktionsfirma Warner Brothers und der Dudenredaktion. Geschöpft haben die Redaktionen unter anderem aus unserem Titel „Das neue Duden-Duell. Das ultimative Sprachquiz“, der vor zwei Monaten erschienen ist und die Reihe unserer beliebten Quizbücher fortsetzt. Allerdings sind die meisten der daraus stammenden Fragen noch einmal etwas verändert und der RTL-Tonalität angepasst worden. Die nächsten Tage werden zeigen, ob der RTL-Deutschtest dem Buch im Handel einen Schub geben konnte, direkt beworben wurde es in der Sendung nicht.

Häme wegen Rechtschreibfehlern? Unnötig.

Während ich diesen Text schreibe, erscheint auf Spiegel online die Überschrift „Bei Rechtschreibfehlern sind die Deutschen gnadenlos“. Hintergrund der Meldung ist ein Rechtschreibfehler auf einem Wahlplakat einer Kandidatin in Niedersachsen, dort steht Niedersachen statt Niedersachsen. Das ist peinlich, wirklich, aber ist es eine Spiegel-Schlagzeile und all die Häme im Netz wert? Ich finde, nein. Es ist ein ärgerlicher Fehler, aber solche Fehler passieren.

Nicht darauf sollte sich unsere Aufmerksamkeit richten, sondern auf den Stellenwert von Rechtschreibung und Sprachbeherrschung überhaupt in der öffentlichen Kommunikation. Und wenn ein RTL-Deutschtest neben den Wissensabfragen und dem ewigen Spiel „Wer ist der oder die Bessere?“ ein ganz klein wenig dazu beitragen würde, sich mit dieser Frage zu beschäftigen, dann wäre mehr gewonnen als die hohe Einschaltquote und das Preisgeld einer Samstagabendshow.