Die Sonntagsfrage

Welche Rolle spielen Buchcover beim Einkauf, Herr Witton?

30. Januar 2022
von Börsenblatt

Dennis Witton kauft für seine Wortreich-Buchhandlungen in Horrem und Königsdorf schon seit längerem keine Bücher mehr ein, deren Cover maximal austauschbar und null kreativ sind. Welche Motive er nicht mehr sehen kann, was er sich von den Grafikabteilungen der Verlage wünscht und warum seine Kund:innen trotz seiner Zurückhaltung bei Dutzendware nichts vermissen, erklärt der Buchhändler in der Sonntagsfrage. 

Buchcover sind Verpackungen. Sie sollen Leser:innen neugierig machen, Emotionen wecken, zum Kauf verführen und Assoziationen wecken. Vor allem die seit einiger Zeit in den Grafikabteilungen besonders beliebten weglaufenden Menschen, vornehmlich in roten Mänteln, wecken hier nur noch eine Emotion: die pure Langeweile.

Vor ein paar Jahren haben wir entschieden, dass wir kein Buch mehr einkaufen, auf dem uns ein Mensch den Rücken zuwendet. Überall begegnen sie einem: Bei den Krimis, den historischen Romanen, den Familiengeschichten. Die Flut an Titeln mit diesem Covermotiv ist derart groß, dass man komplett den Überblick verliert. Ein wenig kann man das Genre dann aber doch einschränken: Trägt die weggehende Person einen Mantel, vielleicht sogar in rot? Dann wird es ein Krimi sein. Ist das Cover in Sepia gehalten? Historischer Roman mit biografischem Hintergrund. Ist eine Treppe zu sehen? Wahrscheinlich eine Familiengeschichte.

Wir haben die Scherenschnitt-Cover überlebt und auch die Schwedenhaus-Phase weitestgehend überstanden. Wir werden auch die Rücken, die Koffer, die aus dem Fenster-Schauenden und die Ahornbäume überleben.

Ich möchte gar nicht wissen, wie viele, vielleicht sogar wirklich gute Geschichten, in solch austauschbare Kleider gesteckt und so komplett übersehen werden. Es gab eine Zeit, in der man das Gefühl hatte, den Autor:innen und Verlagsmenschen fallen keine neuen Buchtitel mehr ein. Zuerst wimmelte es nur so von fragwürdigen Frauenberufen und es hätte mich nicht gewundert, wenn auch noch eine Pfandflaschensammlerin oder  Hundefrisörin aufgetaucht wäre. Nach dem Erfolg des Hundertjährigen konnten die Buchtitel dann nicht lang genug sein. Auch das führte zu großen Ermüdungserscheinungen.

Wir haben die Scherenschnitt-Cover überlebt und auch die Schwedenhaus-Phase weitestgehend überstanden. Wir werden auch die Rücken, die Koffer, die aus dem Fenster-Schauenden und die Ahornbäume überleben. Solange gilt der weise Spruch der Dakota: „Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab.“ Für uns hier vor Ort gilt die Tatsache, dass es - um beim Bild zu bleiben – noch viele andere schöne Pfere gibt. Originalität gilt nicht nur für den Inhalt der Geschichten, sondern auch für die Verpackung. Ich mag mich nicht mehr langweilen.

Neuer Trend: Frauen, die nach oben blicken

Natürlich lüge ich, wenn ich sage, dass wir überhaupt keine Titel mehr vorrätig haben, auf deren Covern Menschen in Rückenansicht zu sehen sind. Ich bin Kaufmann und ich weiß, dass ich den neuen Teil der "Tuchvilla" verkaufen werde. Den habe ich da. Ich brauche aber weder die zum Verwechseln ähnlich aussehenden Bücher, die auch etwas mit Villa, Haus oder Hof in ihrem Titel haben. Anscheinend brauchen unsere Kund:innen sie auch nicht. Keiner vermisst diese Bücher. Als ich gerade eben durch die Regale geschaut habe, ist mir allerdings schon der nächste Trend aufgefallen: Frauen, die nach oben blicken. Ein Genre mehr, auf das ich in Zukunft wohl verzichten kann.

Wir im Buchhandel müssen immer wieder mutig sein. Wir müssen uns etwas trauen, wenn wir weiter relevant sein wollen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Grafikabteilungen der Verlage auch etwas trauen.

Wir im Buchhandel müssen immer wieder mutig sein. Wir müssen uns etwas trauen, wenn wir weiter relevant sein wollen. Ich würde mir wünschen, dass sich die Grafikabteilungen der Verlage auch etwas trauen. Ein bisschen mehr Ideenreichtum, ein wenig mehr Originalität und Unverwechselbarkeit, wären wirklich sehr schön. Es gibt ja auch noch eine Menge anderer Körperteile, die uns Menschen auf Buchcovern entgegenstrecken könnten.