Die Sonntagsfrage

Wie war der Buchhändlerinnenaustausch zwischen UK und Germering?

28. August 2022
von Börsenblatt

Sophie Pitches ist die erste Kandidatin von RISE, dem neuen Förderprogramm des internationalen Buchhandelsverbands EIBF. Eine knappe Woche war sie bei Katrin Schmidt in der Buchhandlung LeseZeichen in Germering zu Gast. Und wie war es? Was haben die beiden Buchhändlerinnen voneinander gelernt? Und werden sie das Gelernte denn auch umsetzen?  Das beantworten Pitches und Schmidt in der Sonntagsfrage.

Zusammen im LeseZeichen in Germering: Pauline Gössl, Inhaberin Helen Hoff, Hospitantin Sophie Pitches, Mitarbeiterin Susanne Wolf und Inhaberin Katrin Schmidt

Zusammen im LeseZeichen in Germering: Pauline Gössl, Inhaberin Helen Hoff, Hospitantin Sophie Pitches, Mitarbeiterin Susanne Wolf und Inhaberin Katrin Schmidt

 

Von welcher Buchhandlung kommen Sie, Frau Pitches? Ist Ihre Buchhandlung mit der von Frau Schmidt vergleichbar?

Ich komme aus der Buchhandlung "The Bound", eine unabhängige Buchhandlung im Nordosten von England. Sie gehört zur unabhängigen Buchhandlung "Forum Books". Ja! Es gibt definitiv Übereinstimmungen zwischen den beiden Buchhandlungen.

Welches sind die größten Unterschiede?

LeseZeichen ist fast doppelt so groß wie "The Bound". Sowohl bezogen auf die Größe des Ladens als auch auf die Menge der vorrätigen Artikel. Bei "The Bound verkaufen wir nur Bücher, mit Ausnahme von einigen Tagebüchern und wenigen Puzzles, wohingegen die Buchhandlung LeseZeichen bekannt dafür ist, darüber hinaus auch Non Books und Geschenkartikel anzubieten. Außerdem hat  LeseZeichen auch fremdsprachige Titel lagernd. Ich war überrascht, die Auswahl an englischen Titeln zu sehen, die sowohl bei uns als auch hier in Deutschland bei den Kunden beliebt sind.

Und die Gemeinsamkeiten?

Beide Geschäfte sind sehr gemeinschaftsorientiert und haben eine starke, unabhängige Identität. In Städten wie unseren, also Germering und Whitley Bay, lernt man seine Kunden wirklich gut kennen, und es ist großartig, von
vergangenen Aktionen des LeseZeichens zu hören, bei denen Geld für lokale Organisationen gesammelt wurde. Auch in beiden Shops ist das Team recht klein, bzw. gleich groß. Man kennt sich gut untereinander. Und natürlich lieben wir alle Bücher!

Warum haben Sie sich als Hospitantin beworben?

Ich bin jetzt seit fast anderthalb Jahren Buchhändlerin und habe vorher Französisch und Russisch studiert. Mein Abschluss ermöglichte es mir, auf eine Weise im Ausland zu reisen und zu arbeiten, wie ich es noch nie vorher getan hatte. Außerdem hat es meine Liebe zu verschiedenen Sprachen und Kulturen vertieft. Anfang dieses Jahres kam ich zum ersten Mal nach Deutschland, und als der Buchhändlerverband für das „Buchhändler-Austauschprogramm“ von RISE Bookselling warb, wusste ich, dass ich die Gelegenheit wahrnehmen musste, zu sehen, wie Buchhändler in einem anderen Land arbeiten! Die letzte Woche war ein echtes Abenteuer und ich bin LeseZeichen so dankbar, dass sie mich beherbergt haben.

Und was hat Sie, Frau Schmidt, bewogen, einen Hospitanzplatz anzubieten?

Ich fand die Idee spannend und war neugierig darauf, wie Buchhandlungen in anderen Ländern funktionieren. Im Urlaub besuche ich, wie sicher viele Kollegen auch, immer andere Buchhandlungen. Jemanden, der dort arbeitet näher kennen zu lernen, fand ich eine große Chance.

Möchten Sie auch selbst mal zum Hospitieren verreisen? Wenn ja, wohin?

Ich fände es wunderbar, einmal in Schweden in einer Buchhandlung zu arbeiten. Ich habe ein paar Semester Nordistik studiert. Mein Schwedisch ist
zwar furchtbar eingerostet, auf Englisch ginge es sicherlich besser, aber einmal in einer schwedischen Buchhandlung zu arbeiten, das würde mich schon reizen. Aber auch Sophies Buchhandlung ist sehr interessant und in Nordengland war ich noch nie. Zudem liegt Whitley Bay direkt am Meer und ich habe so viel von Sophie darüber erfahren. Das hat mich neugierig gemacht.

Frau Pitches, wie haben Sie die Tage in Germering verbracht?

Ich habe mir angeschaut, wie es ist, Buchhändlerin in der Buchhandlung LeseZeichen zu sein. Gemeinsam führte mich das Team in die Abwicklung von Kundenaufträgen ein; in das Einsortieren von Büchern, wenn sie geliefert werden, und das Heraussuchen von Büchern für die Remission. Und ich habe die Herangehensweise an die Dekoration und das NonBook-Sortiment kennengelernt, und die Social Media Accounts der Buchhandlung LeseZeichen. Meine stolzesten Momente waren die Empfehlung eines englischen Kinderbuchs für ein Kind, das etwas Neues ausprobieren wollte, und das Bedienen einiger Kunden an der Kasse in (sehr einfachem) Deutsch! Helen und Katrin luden mich und das Team auch freundlicherweise zum Abendessen in ein bayerisches Restaurant ein. Das war etwas ganz Besonderes.

Was konkret haben Sie gelernt?

Wir haben in dieser Woche tatsächlich viel über Lesemotive gesprochen. Das ist etwas, was wir sicherlich berücksichtigen werden, wenn wir Kunden künftig bei „The Bound“ beraten. Ich fand es sehr interessant zu erfahren, wie sich die Lesemotive auf die Präsentation der verschiedenen Bereiche in der Buchhandlung LeseZeichen auswirkt.
Ich habe auch gelernt, dass Brezeln mit Butter jetzt mein Lieblingsessen sein können!

Und Sie, Frau Schmidt, was haben Sie von Sophie Pitches gelernt?

Es war interessant, wie ähnlich die Abläufe hier wie in England sind. Auch wenn im Detail manches dann doch anders ist: in England kommen die Kundenbestellungen zwar auch am nächsten Tag, das kann aber zwischen 8 und 15 Uhr sein, man weiß nie genau wann…. Insgesamt fand ich den Austausch unglaublich inspirierend. Dadurch, dass man seine Buchhandlung zeigt und miteinander über Gemeinsamkeiten und Unterschiede spricht, blickt man mit anderen Augen auf das eigene Geschäft. Das fand ich sehr bereichernd. Die ganze Kommunikation hat auf Englisch sehr gut funktioniert, das gilt für das ganze Team. Die gemeinsame Leidenschaft für den Buchhandel hat sehr schnell sämtliche sprachlichen Berührungsängste genommen.

Werden Sie beide etwas von dem Gelernten in Ihrer Buchhandlung umsetzen?

Sophie Pitches: Ich erwäge definitiv, die Lesemotive mehr in der Präsentation meiner Lagerbestände bei „The Bound“ zu berücksichtigen. Katrin hat mir auch einige wunderbare Ideen für einfache, aber ansprechende Initiativen gegeben, die ich mit unseren Kunden ausprobieren kann – vom Auslegen von Puzzles für die Kunden, damit Sie es für einen guten Zweck fertig puzzeln, bis hin zum gemeinsamen Malen einer Raupe Nimmersatt auf dem Gehsteig vor der Buchhandlung. Es war eine augenöffnende Erfahrung und ich freue mich darauf zurückzukehren, um mit meinen Kollegen über meine Zeit bei Lesezeichen zu sprechen
Katrin Schmidt: Sophie hat viele Empfehlungszettel auf Englisch geschrieben, was sehr positiv von unseren Kunden wahrgenommen wurde. Wir werden
definitiv noch mehr englische Bücher ins Sortiment aufnehmen. Außerdem haben mir die Gespräche weitere Impulse gegeben, die wir weiterentwickeln möchten. Zum Beispiel im Hinblick auf unseren Social Media Account. Da arbeiten wir noch viel zu wenig mit Videos, das wollen wir künftig ändern. Leider ist im Rahmen des Austauschprogramms kein Gegenbesuch vorgesehen. Da hätten wir garantiert vor Ort von Sophie noch mehr Ideen bekommen können, wenn man den anderen Laden kennen lernt. Im Herbst kann man sich aber für die nächste Runde bewerben. Mehrere aus dem Team haben schon angekündigt, dass Sie das unbedingt machen wollen.

Werden Sie in Kontakt bleiben?

Katrin Schmidt: Absolut! Sophie hat uns schon bei der Abreise gebeten, dass wir unbedingt Fotos unserer Weihnachtsdekoration schicken sollen. Und ich freue mich schon auf weitere Fotos von ihr. Außerdem haben wir uns sehr gut verstanden.
Sophie Pitches: Unbedingt! Ich hoffe, irgendwann in der Zukunft noch einmal alle hier in der Buchhandlung LeseZeichen in Germering besuchen zu können. Und ich wäre überglücklich, wenn sich jemand entschließen würde, die Reise zu unternehmen, um uns in Whitley Bay zu besuchen!

Infos zum Austausch-Projekt RISE

Hinter dem Kürzel „RISE“ verbirgt sich der Projektname „Resilience, Innovation and Sustainability for the Enhancement of Bookselling“. RISE ist auf drei Jahre angelegt und läuft bis Dezember 2024. Gefördert wird es aus EU-Mitteln im Rahmen des Programms „Creative Europe“. Weitere Informationen gibt es auf boersenblatt.net oder auf der Projektseite im Internet.

Wer sich für das Austauschprogramm interessiert und Hospitanzplätze anbieten möchte, kann sich direkt an RISE wenden (Mail: info@risebookselling.eu)