Der Buchblog-Flaneur: Zehn Leseempfehlungen aus dem Mai 2025

"Diese Bücher landen sofort auf meiner Wunschliste"

5. Juni 2025
Redaktion Börsenblatt

Blogger Uwe Kalkowski, besser bekannt als "Der Kaffeehaussitzer", flaniert monatlich durch die Buchblogs und stellt bei uns besprochene Titel vor. Hier kommt seine literarische Netzauslese für Mai.

Uwe Kalkowski

Uwe Kalkowski

Sich einfach mal treiben lassen

Diese Kolumne gibt Monat für Monat einen Einblick in die Welt der Literaturblogs. Jeweils zehn Leseempfehlungen sollen es sein und diese Begrenzung ist gar nicht so einfach einzuhalten. Auch im Mai 2025 fiel es mir schwer, aus den vielen gesichteten Fundstücken zehn auszuwählen - daher ist diese Kolumne wie immer auch als Einladung gedacht, sie selbst von Buchblog zu Buchblog treiben zu lassen. Es lohnt sich sehr. 

Im Blog LiteraturReich gibt es eine Tradition, auf die ich mich zwei Mal im Jahr sehr freue: Bloggerin Petra Reich sichtet regelmäßig die Verlagsprogramme der kommenden Buchsaison und stellt eine Auswahl der neuen Bücher vor. Dies beinhaltet jedes Mal eine so beeindruckende Vielfalt an literarischen Titeln, dass ich, hätte ich eine Buchhandlung, diesen Blick in die Programme als erste Orientierung für meinen Einkauf nutzen würde. Im Mai ist der Überblick über die Neuerscheinungen im Herbst/Winter 2025 online gegangen. 

Ein Roman, dessen Handlung in einem der skandinavischen Länder angesiedelt ist (Island mitgezählt), taucht früher oder später im Literaturblog Zeichen & Zeiten von Constanze Matthes auf. Im Mai war es zum Beispiel »Ósmann« von Joachim B. Schmidt, ein Buch, auf das ich mich selbst schon sehr freue. Und nach dem Fazit dieser Besprechung noch etwas mehr. 

Bücher jenseits eigener Vorlieben

Ein wichtiger Grund, warum ich gerne durch die Buchblogs streife: Ich stoße auf Bücher außerhalb meiner eigenen Lesevorlieben. Im Blog Booknapping etwa wird der Roman »When Women Were Dragons« von Kelly Barnhill vorgestellt - und was vom Titel und von der Gestaltung her wirkt wie ein Romantasy-Schmachtfetzen, ist in Wahrheit »zutiefst feministisch, aktivistisch, aufrüttelnd«. So die Bloggerin Sandra Wiegratz, deren begeisterte Besprechung ich sehr empfehle.

Im Blog Bücherherbst stellt Daniel Engel das Buch »Die Achse der Autokraten« von Anne Applebaum vor und empfiehlt es nachdrücklich: »Anne Applebaum legt die Verflechtungen autoritärer Machtstrukturen mit einer Deutlichkeit dar, die verstört, aber gerade deshalb notwendig ist. In einer Zeit, in der viele Demokratien sich selbst infrage stellen, ist ihre Botschaft eine Mahnung: Freiheit ist nie selbstverständlich. Wer sie bewahren will, muss sie verstehen – und verteidigen.«

»Episch« nennt Kerstin Pistorius den Roman »Über dem Tal« von Scott Preston in ihrem Blog Atalantes Historien - und da gehe ich voll und ganz mit. »Über dem Tal« ist ein Buch, das mich sehr begeistert hat und vieles von meiner Begeisterung finde ich in der Rezension wieder, die das Besondere des Erzählten wunderbar auf den Punkt bringt. 

In einem Bullshit-Job gestrandet

Ein eigener Buchblog passt perfekt zur Online-Präsenz einer Buchhandlung. Und der Blog Leseschatz des Kieler Buchhändlers Hauke Harder (Buchhandlung Almut Schmidt) ist das perfekte Beispiel dafür. Im Mai hat mir dort die Vorstellung des Romans »Tiefer Winter« von Samuel W. Gailey besonders gut gefallen. 

Sehr gefreut hat mich die Besprechung des Romans »Geht so« von Beatriz Serrano im Literaturblog Buch-Haltung (und das schreibe ich als Leser, nicht als Mitarbeiter des Eichborn Verlags, in dem das Buch erschienen ist). Blogger Marius Müller sieht die Protagonistin der Geschichte - Marisa, die in einem Bullshit-Job gestrandet ist und darüber verzweifelt - als moderne Nachfolgerin von Herman Melvilles »I would prefer not to«-Bartelby, dem, wie er schreibt, »Urvater aller Arbeitsverweigerer.«

Der Literaturpalast von Timo Schlench ist ohnehin stets einen Besuch wert. Doch die wunderbar selbstironische Rezension des Romans »Das perfekte Gift« von Sergej Lebedew sei allen noch einmal ganz besonders ans Herz gelegt. 

Ein Platz in meinem Herzen

Diese Momente kennen bestimmt viele von uns Leserinnen und Lesern: »Es gibt Romane, in denen ich mich sofort zuhause fühle, bei denen ich immer langsamer lese, je weniger Seiten übrigbleiben.« Das schreibt Marina Büttner in ihrem Blog literaturleuchtet über den Roman »Das Haus der Türen« von Tan Twan Eng. Und schon wegen dieses Einstiegs ist das Buch sofort auf meiner Wunschliste gelandet.

Literatur aus Haiti? Außer den bei Manesse erscheinenden Romanen von Marie Vieux-Chauvet kannte ich bisher keine anderen Werke. Mit der Besprechung von Yanick Lahens »Mondbad« im Literaturblog altmodisch:lesen hat sich das nun geändert - ein Blogbeitrag, der neugierig macht. 

Und in meinem eigenen Blog Kaffeehaussitzer schreibe ich über den Roman »Simón« von Miqui Otero - ein Buch, das mich als Leser zwischenzeitlich fast verloren hätte, sich aber dann doch einen Platz in meinem Herzen eroberte. 

Das waren sie, die zehn Buchblog-Fundstücke aus dem Monat Mai 2025. Bis zum nächsten Mal, viel Vergnügen beim Stöbern und Entdecken. 

Über den Autor

Uwe Kalkowski ist seit über dreißig Jahren in der Buchbranche tätig und kennt sie aus verschiedenen Perspektiven: Als Buchhändler, als Absolvent des Studiengangs Verlagswirtschaft in Leipzig und als Mitarbeiter verschiedener Verlage. Seit 2019 arbeitet er als Produktmanager für den Eichborn Verlag in Köln. Auf seinem Literaturblog Kaffeehaussitzer schreibt er über Bücher und Leseerlebnisse. Als Buchblog-Flaneur stellt er monatlich zehn Fundstücke aus der Welt der Literaturblogs vor.