Neue Belletristiktitel

Erste Romane

17. Juni 2021
von Sabine van Endert

Nichts gegen Henning Mankell, Donna Leon und Juli Zeh – aber aufregender ist oft das Neue. Hier kommen sieben Debüts, von denen alle die Chance auf einen Spitzenplatz in der Buchhandlung verdient haben. 

Muss man mutig sein, um seinen ersten Roman zu schreiben? Unerschrocken? Ist es Bestimmung? Es gibt ja schon so viele, und jedes Jahr kommen etwa 13 000 belletris­tische Titel dazu. Zum Glück machen sich immer wieder Leute an die Arbeit! 

Sezierend

Janina Hecht etwa. Ihr Debütroman »In diesen Sommern« (C. H. Beck, 175 S., 20 Euro) erzählt klar und zugleich unglaublich dicht von zwei Geschwistern und ihrer Mutter, die ihr Leben um eine Unbekannte herum leben – den unberechenbaren, gewalttätigen Vater. Teresa erinnert sich genau, auch an die schönen Momente ihrer Kindheit und Jugend, die Eintrübungen und Entgleisungen wirken umso erschütternder. Der Vater wird an keiner Stelle dämonisiert, das Buch endet mit seinem Tod. Ob die Tochter sich befreit hat? »Manchmal bin ich wütend darüber, dass ich nie wieder mit ihm sprechen kann. Aber diese Wut hat keine Richtung.« Weiß die Autorin mehr? Wenn alles gut geht, liest Janina Hecht am 24. August auf dem mediacampus frankfurt in Frankfurt-Seckbach. 

Ist das noch »erwachsen werden«? Hannah Lühmann, die stellvertretende Resssortleiterin im Feuilleton der »Welt« und »Welt am Sonntag«, hat einen Roman über eine Doktorandin geschrieben, die ihr Leben - im Gegensatz zu den Leben der anderen – als eine kaum zu beeinflussende Aneinander­reihung von Zufällen empfindet (»Auszeit«, Hanserblau, 176 S., 19 Euro).  Lühmann kommt mit wenigen Figuren aus, Erzählerin, Freundin, Freund der Freundin, Ex-Geliebter. Die erzählte Geschichte von Abtreibung und Selbstfindung könnte unterkomplex erscheinen, aber Lühmann hat offenbar genug Romane gelesen, um zu wissen, wie es geht: Ihr Buch beschert Lesefreude. 

Edgar Selge als Anfänger zu bezeichnen fällt schwer. Aber: Er hat halt seinen ersten Roman veröffentlicht. Bei schreibenden Schauspielerinnen und Schauspielern schaut man ja oft genau hin – und hat schon oft Qualität gesehen, zum Beispiel bei Matthias Brandt und Andrea Sawatzki. Selges Debüt spielt um 1960, ein Zwölfjähriger erzählt seine Lebensgeschichte zwischen Gefängnismauern (der Vater ist Gefängnis­direktor) und klassischer Musik (»Hast du uns endlich gefunden«, Rowohlt, Oktober, 320 S., 24 Euro). 

»Eine Erinnerung ist noch keine Erzählung. Soll sie das werden, beginnt die Fiktion«, stellt Selge seinem Roman voran. Selges Vater war Direktor der Jus­tizvollzugsanstalt für Jugendliche in Herford, Selge selbst studierte zunächst Klavier –  wir haben es mit Autofiktion zu tun.  Stört das? Überhaupt nicht! 
Selge trifft seinen Ton, es geht um die Schatten des Krieges, Musik, Freiheit – lesenswert!

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