Porträt des Krimiverlegers Hejo Emons

Hejo Emons: "Dann mache ich das eben"

22. August 2023
von Michael Roesler-Graichen

Kölsch zu sein und kein Jeck: Auch das ist ein Erfolgsmodell. Jedenfalls für einen, der das kalkulierte Risiko liebt - so wie Krimiverleger und Filmproduzent Hejo Emons. Ein Archivbeitrag aus dem Jahr 2010.

Hejo Emons im Jahr 2010

2010 besuchte Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen Hejo Emons in Köln für ein Porträt. Nun ist der Emons-Verleger am 20. August 2023 im Alter von 73 Jahren gestorben. Dieser Artikel erschien erstmals in Ausgabe 10/2010 unter dem Titel "Arbeitsbeziehung zum Untergrund".

Unter der Lütticher Straße 38 liegt keine Baugrube der Kölner Verkehrsbetriebe. Für den Emons Verlag, der hier, im Belgischen Viertel der Domstadt, residiert, ist das ein Glück – denn damit dürften das Verlagsarchiv und die hauseigene Auslieferung vor einem plötzlichen Absturz verschont bleiben. Zum Kölner Untergrund hingegen, der seit den Manipulationen beim U-Bahn-Bau neue Dimensionen annimmt, pflegt Verleger Hejo Emons eine langjährige Arbeitsbeziehung. Schließlich ist Kölns Geschichte reich an Kriminalstoffen – und entsprechenden Tatorten.

Die typische Mischung aus Frömmigkeit, Geschäftssinn und Korruption hat über die Jahrhunderte hinweg sich zum sprichwörtlichen Kölschen Klüngel verdichtet. Das fing schon im Mittelalter an, als die Kölner schwunghaften Handel mit Reliquien betrieben. Die unzähligen geweihten Knochen, die zu jener Zeit auf dem Markt waren, könnte man zu weitaus mehr Heiligen zusammensetzen, als es jemals gegeben hat. Wessen Gebeine nun wirklich im Schrein der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom ruhen, weiß niemand so genau. »Wirtschaftlich war die Sache damals ein toller Erfolg«, sagt der Krimiverleger: »Es kamen jede Menge Pilger.« Mit einem historischen Krimi bringt Emons Licht in dieses dunkle Kapitel der Kirchengeschichte – unter dem schlichten Titel »Reliquien«.

Hejo Emons ist zwar in Köln geboren und bezeichnet sich selbst als »ziemlich kölsch«, hat aber mit dem Klüngel nichts am Hut: »Das ist sowieso nichts typisch Kölsches, das gibt es überall. Diese Art, sich gegenseitig zu helfen, ist in Köln eben nur besonders lebendig.« Zu den Jecken gehört Emons ebenfalls nicht – »auch wenn es geschäftlich vielleicht ein Fehler war, keinem Karnevalsverein beizutreten«. Schließlich sind Vereine wichtige Netzwerke, wie Emons weiß. »Wer einen Handwerker braucht, nimmt natürlich den Kollegen aus der Karnevalsgesellschaft.« Ein Geben und Nehmen unter Vereinsfreunden, das die bekannten Schattenseiten hat: etwa wenn der Vorarbeiter mit dem Bauleiter mit dem Ingenieur und so weiter in karnevalistischer Eintracht Schlitzlamellen verschiebt

Die Idee von Hejo Emons, Krimis mit Lokalbezug zu verlegen, fiel in Köln auf fruchtbaren Boden. Doch bevor es so weit war, musste der Student der Kunstgeschichte und Soziologie erst einmal das Büchermachen entdecken. Und das geschah 1984: Ein Bekannter beklagte sich bei Emons darüber, dass er für sein Buch über romanische Kirchen in Köln einfach keinen Verleger finde. Hejo Emons reagierte mit einem kühnen Satz, der den Anfang seines Verlegerlebens markierte: »Dann mache ich das eben.« Emons zahlte dem Mann, der sein erster Autor werden sollte, einen Vorschuss, doch das Buch wurde niemals fertig: »Der Vorschuss war weg, aber der Verlag geboren.« Das erste Werk, das dann tatsächlich gedruckt wurde, war ein alternativer Reiseführer für Köln – und mit 8000 verkauften Exemplaren ein toller Erfolg. Der nächste Titel – der Köln-Krimi »Tödlicher Klüngel« – war nicht nur der erste deutsche Regionalkrimi überhaupt, sondern legte den Grundstein für eine Geschäftsidee, die sich bis heute auszahlt. 1996 erschien der erste Eifel-Krimi bei Emons, ein Jahr später folgte ein Mordfall aus dem Bergischen Land. Heute hat der Verlag Krimis aus mehr als 40 Regionen im Programm – darunter nicht nur deutsche Landstriche, sondern auch das »17. Bundesland« Mallorca. »Gekauft werden die Krimis meist dort, wo die Geschichten spielen«, sagt Emons. »Aber es gibt auch Ausreißer - wenn Nordsee-Urlauber aus Recklinghausen in Cuxhaven einen ›Hinterm Deich‹-Krimi von Hannes Nygaard kaufen.«

Weil der Markt der Regionalkrimis hart umkämpft ist, hat sich Emons neue Genres erschlossen – etwa mit der Urban Fantasy / Mystery-Reihe. Mit Volker Mauersbergers »Kalte Wut. Der Fall Ellen Rinsche« ist zudem ein packendes True-Crime-Buch entstanden. Und im Herbst 2009 startete die Reihe »Tatort«, die Folgen der TV-Serie in Romane verwandelt. Als Leser widmet sich Emons anderen Fällen und Autoren: Seine Favoriten sind Elmore Leonard, Richard Stark oder die Franzosen Jean-Claude Izzo und Patrick Manchette. Das Wachstum seines Verlags betreibt Hejo Emons mit Augenmaß – schließlich sind die Bücher das Standbein für die anderen, weniger bekannten Aktivitäten des Kölners, die ihn als risikobereiten Unternehmer ausweisen.

Vor einiger Zeit hat er in Italien einen Hörbuchverlag gegründet, Emons Audiolibri. »Das war ein Investment in sechsstelliger Euro-Höhe, und ich bin froh, jetzt eine rote Null schreiben zu können.« Mit Audiolibri betritt Emons Neuland – denn auf dem italienischen Hörbuchmarkt ist noch allerhand Entwicklungsarbeit zu leisten. Der Verlegerwirkt sehr beherrscht, während er hinter dem Schreibtisch sitzt und über sein Engagement in Italien spricht. Andere hätten vielleicht schon die Nerven verloren, wenn so ein stolzes Sümmchen auf dem Spiel steht. Sein Büro verbreitet den Charme der Improvisation, wie man ihn aus Agenturen der Kreativwirtschaft kennt. Und es verrät einiges über den zweiten Beruf, dem Emons sich seit Jahren verschrieben hat: der Filmproduktion. Zu seinen jüngsten Großprojekten gehörte die Verfilmung von Andrea Maria Schenkels »Tannöd« – zahllose Filmplakate stehen noch auf dem Fußboden. Dort, in den nackten, nur lasierten Estrich ist eine Luke mit der Aufschrift »Einstieg« eingelassen. »Hier ging es früher in den Luftschutzkeller«, sagt Emons. Da ist sie wieder: die Nähe zum Untergrund. Direkt unter dem Schreibtisch.