Sichtbarkeit für queere Literatur und Menschen (4)

Lann Hornscheidt: "Kein Nischenprogramm"

22. Juli 2021
von Charline Vorherr

Queere, diskriminierungskritische Buchprogramme sind für alle spannend, so Lann Hornscheidt vom Verlag w_orten & meer. Der Deutsche Verlagspreis ist eine Anerkennung, dass Diskriminierungskritik ein Thema in der Mitte der Gesellschaft ist.

Sie haben den Deutschen Verlagspreis im Vergleich zu den anderen Verlagen als noch recht jungen Verlag gewonnen! Was bedeutet die Auszeichnung für Sie, insbesondere als Verlag, dessen Literatur oft als Nische betrachtet wird?
Eine öffentliche Anerkennung davon, dass Diskriminierungskritik ein Thema in der Mitte der Gesellschaft ist und sein muss. Eine Bestätigung unserer Arbeit, immer mehr Menschen Ideen, Inspirationen, Werkzeuge und eine Sprache zur Verfügung zu stellen, mit der sie sich als Diskriminierte empowert und wahrgenommen fühlen und als Privilegierte inspiriert und den Horizont erweiternd.

Was haben Sie mit dem Geld vor? 
Der Preis ist eine große und dringend benötigte Hilfe, weiter nachhaltig und fair in allen einzelnen Schritten Bücher produzieren und Menschen in allen Produktionsschritten - von Übersetzung über grafische Gestaltung bis hin zum nachhaltigen Druck fair bezahlen zu können.

Was wünschen Sie von Buchhandlungen für Ihr Programm und das queere Programm anderer Verlage?
Sichtbarkeit! Wahrgenommen zu werden - und zwar nicht als Nischenprogramm, sondern als diskriminierungskritisches, inspirierendes, Menschen verbindendes Buchprogramm, das für alle spannend ist und von dem alle profitieren können. Nur so kann die Gesellschaft insgesamt diskriminierungsfrei werden - wenn alle dies wollen. Wir bieten Inspirationen, Informationen und Worte dazu an!

Wo sehen Sie den größten Bedarf? Was muss gemacht werden, um LGBTQ+-Personen mehr Sichtbarkeit innerhalb der Buchbranche zu schaffen?
Für w_orten & meer geht es vor allem auch um die Wahrnehmbarkeit von Diskriminierungsstrukturen - sei es ein differenziertes Wahrnehmen kolonialistischer Gewalt und wie sie bis heute fortwirkt - durch Romane und Essays bei uns im Programm, sei es durch empowernde Texte, die deutlich machen, wie Diskriminierungen ganz konkret aussehen und funktionieren - und wie diese verändert werden können. Das leistet zum Beispiel unsere Reihe mit Sprachleitfäden. Wir wünschen uns Buchläden, die Diskriminierungskritik nicht als ein Randthema betrachten, sondern als zentral.

Wo gibt es diese Bühnen schon – beispielsweise auch für Ihre Bücher? 
In vielen tollen Buchläden mit engagierten Leuten wie der Mondo-Buchhandlung in Bielefeld, dem Online-Buchhandel trans*fabel, auf linken Buchmessen wie radical bookfair in Leipzig und queeres Verlegen in Berlin und bei vielen Veranstaltungen bei verschiedenen diskriminierungskritischen Projekten und an Unis. Dann gibt es natürlich sehr engagierte Bücherblogs wie Inklusion-statt-Integration.de oder das Buchrezensionsjournal Weiberdiwan.

Mehr Stoff zu den Themen queere Literatur und Sichtbarkeit von queeren Akteur*innen im Literaturbetrieb folgt im Thema der Woche in der Börsenblatt Ausgabe 29. Sie erscheint am 22. Juli.

Diese Interviews erwarten Sie auf boersenblatt.net

- Donat Blum, Glitter: "Wir alle tragen schwer am Patriarchat"

- Jim Baker, Querverlag: "Zu häufig höre ich: Nischenliteratur!"

- Lina Muzur, Hanser Berlin: "Diversität ist kein Modethema"

- Lann Hornscheidt, w_orten & meer: "Kein Nischenprogramm"

- Kristine Listau und Jörg Sundermeier, Verbrecher Verlag