Der Gedanke, zum Nulltarif in kurzen Einheiten beim Warten auf den Bus oder in der Schlange vor der Supermarktkasse nebenbei eine Sprache zu lernen, ist verlockend. Die Realität zeigt: Lernen funktioniert anders. Und Bücher sind dafür nach wie vor wichtige Anker – wenn auch nicht mehr die alleinigen Mittel, weder in Unterrichtssituationen noch beim Selbststudium. "Der Gesamtmarkt Fremdsprachen inklusive Deutsch als Fremdsprache und Deutsch als Zweitsprache ist im Umsatz im Jahresvergleich leicht gestiegen – und zwar um 1,7 Prozent", berichtet Sylvia Tobias, Geschäftsführerin Marketing und Vertrieb im Hueber Verlag. Von diesem Plus entfielen 2,9 Prozent auf den Bereich DaF / DaZ, wohingegen die Fremdsprachen einen Umsatzrückgang von 2,3 Prozent verzeichneten. "Die Marktzahlen zeigen, dass neben Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch die selteneren Sprachen immer weniger unterrichtet werden", so Tobias. Apps wie "Duolingo", "Babbel" und "Busuu" könnten dafür mitverantwortlich sein.
Ein weiteres Phänomen ist im Schulunterricht zu beobachten: Viele Schüler:innen verfügen heute über bessere Englischkenntnisse, weil sie auf Netflix Filme in der Originalfassung sehen, Inhalte in den sozialen Netzwerken oder auf YouTube oft auf Englisch konsumieren und den ersehnten neuen Band einer angesagten Young-Adult-Serie in der englischen Ausgabe lesen.
Wie relevant ist also Sprachunterricht heute noch? Lehrerin Emily Horbach, die mit ihrem Account @emilytheteacher fast 74.000 Follower auf Instagram hat, erzählte kürzlich im Podcast "Die Schule brennt" von ihrem Alltag. Manche Schüler:innen seien frustriert, weil sie, obwohl Englisch allgegenwärtig ist, im direkten Gespräch oft scheitern würden. Es sei zwar ein sehr guter erster Schritt, Bücher auf Englisch zu lesen oder Serien im Original zu schauen, so Horbach. Aber um zum dritten Step zu gelangen – der Anwendung einer Sprache –, fehle der zweite Schritt, der auch der mühsamste sei: das Lernen.