Azubi-"Brandbrief": Interview mit Monika Kolb-Klausch

"Wir sollten das Schreiben als Appell und Signal verstehen"

30. März 2021
von Torsten Casimir

Der "Brandbrief" der Auszubildenden im Buchhandel, in dem sie ihre aktuelle Situation beklagen, hat hohe Wellen geschlagen. Wie der Mediacampus Frankfurt ihr Anliegen unterstützen kann, erläutert Monika Kolb-Klausch, Bildungsdirektorin des Börsenvereins, im Interview.

Der Brandbrief der Auszubildenden hat ein mittleres Beben ausgelöst, es herrscht einhelliges Entsetzen über die geschilderten Verhältnisse. Wie erklären Sie sich, dass dieses Thema gerade jetzt an die Öffentlichkeit gerät?
Wir befinden uns im dreizehnten Monat der Corona-Pandemie und damit an oder sogar über unseren Belastungsgrenzen. Wir erleben das gegenwärtig alle in unseren jeweiligen Kontexten. Und das gilt natürlich in besonderer Form auch für unsere Nachwuchskräfte. Was mich berührt hat, ist der Mut, mit dem diese 60 Auszubildenden Ihre Situation geschildert und öffentlich das Wort ergriffen haben. Durch die Pandemie werden herausfordernde Situationen schwieriger und emotionaler. Nicht zu vergessen die jeden Tag auftauchenden und zunehmenden Sondersituationen in unser aller Alltag im Privaten wie Beruflichen. Das zumindest erklärt aus meiner Sicht den Zeitpunkt des Brandbriefes. Wir alle geraten zunehmend an unsere Grenzen.

Welche Rolle spielt die Pandemie bei den beschriebenen Problemen? Was ist strukturell bedingt? Was hängt an konkreten handelnden Personen?
Grundsätzlich können Ausbildungsunternehmen nicht nur in gut oder schlecht kategorisiert werden, denn gute Ausbildung hat viel mit Individuen und Menschen zu tun. Die handelnden Personen und deren Kommunikation und Interaktion gestalten die Rahmenbedingungen der Ausbildung. Coronaunabhängig erleben wir große oder vielfältige Unterschiede in der wahrgenommenen Ausbildungsqualität bei Auszubildenen und Ausbilder:innen gleichermaßen. Für jetzt und heute gesprochen, sei an dieser Stelle noch einmal erwähnt, dass der Druck mit dem Anhalten der Pandemie stetig wächst.

Gibt es Strategien der Qualitätssicherung?
Die Qualität der Ausbildung ist in der Berufsbildung des Börsenvereins ein wichtiges und kritisch diskutiertes Thema. So arbeiten die Nachwuchskräfte selbst im Rahmen der Nachwuchs-AG an Themen wie dem Gütesiegel für Ausbildung oder einem Nachwuchsbotschafter*innen-Projekt. Der Berufsbildungsausschuss tagt zwei Mal im Jahr um Themen der Ausbildungssicherung voranzutreiben. Erst kürzlich fand auf dessen Initiative und der der Landesverbände eine Abendveranstaltung für Ausbilder*innen statt, um diesen die Chance zum Austausch und zur Weiterbildung zu geben.

Wie engagiert sich der Mediacampus Frankfurt?
Wir am Mediacampus Frankfurt stehen im regelmäßigen Dialog mit unseren Auszubildenden und den Betrieben. Im Rahmen von Klassensprecher*innentreffen, Workshops und Austauschrunden wird auch in der Krise deutlich, dass uns ein großer Teil sehr positive Erfahrungen in Bezug auf die Ausbildung mitteilt. Wir nehmen also positive und auch leidvolle Erfahrungen wahr. Wir sollten das Schreiben der Kolleg*innen als Appell und Signal verstehen, die Ausbildungsqualität der Buch- und Medienbranche auf hohem Niveau beizubehalten und in der gegenwärtigen Situation noch einmal zu reflektieren, wo wir Ausbildungsqualität und Miteinander noch einmal der herausfordernden Gegenwart anpassen müssen.

Haben Sie Ideen, wie der Mediacampus und auch der Börsenverein in konstruktive Gespräche mit solchen Ausbildungsbetrieben kommen kann, die es nicht gut machen?
Wir erfahren selten von gravierenden Problemen und Mängeln in den Betrieben unserer Auszubildenden. Wenn eine Kommunikation möglich ist, setzen wir uns mit den Betrieben in Verbindung und besprechen Probleme rund um die Ausbildung. Zusätzlich haben wir seit diesem Jahr Ausbilder*innen Treffen um konkrete Themen zu besprechen und zu verbessern. Über 50 Ausbilder*innen des Mediacampus Frankfurt haben an diesem Erfahrungsaustausch teilgenommen. Die hohe Zahl der Teilnehmenden verdeutlicht, dass auch auf Seiten der Ausbilder*innen ein Bedarf an Austausch und Unterstützung besteht.

Viele Auszubildende klagen darüber, alleingelassen zu werden. Wo verläuft die Grenze zwischen einer sinnvollen Übertragung von Verantwortung und Überforderung?
Mit der Rolle als Ausbilder*in übernimmt man Führungsverantwortung. Und für jede Führungskraft gehört Empathie und Kommunikation zum Basishandwerk. Diese Kompetenzen sind auch die zentralen Elemente in der Ausbildung. Mehr denn je sollten enge Abstimmungen eine wichtige Rolle in der Ausbildung spielen. Ein enger Dialog verbunden mit Instrumenten wie Stärkenanalyse und Feedbackgesprächen sorgt dafür, dass sich beide Seiten ausdrücken und vergewissern, dass die Übertragung von Verantwortung nicht zu einer Überforderung führt. Ein ausgewogenes Zusammenspiel von Fördern und Fordern sorgt für ein gutes Miteinander und ein erfolgreiches Gelingen der Ausbildung für beide Seiten. Viele Unternehmen unserer Branche leben diese Kultur bereits unter den erschwerten Bedingungen der momentanen Situation vor. Aber auch erfahrene Mitarbeiter*innen bewältigen die Herausforderungen unterschiedlich, brauchen mal mehr, mal weniger ein Ohr oder Unterstützung. Bezogen auf die Führungsaufgabe bedeutet das einmal mehr Aufmerksamkeit, Kommunikation und Begleitung. Man darf nie vergessen, dass nicht der Betrieb, sondern die Auszubildenden im Zentrum einer Ausbildung stehen.

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Den "Brandbrief" der Azubis lesen Sie hier auf Börsenblatt online:

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