Doris Dörrie | ANZEIGE

Über das Wohnen

17. März 2025
TONI HECHT

Doris Dörrie, gefeierte Filmemacherin und Autorin, hat ein Buch über das Wohnen geschrieben – klug beobachtet, poetisch erzählt und mit feinem Humor. Eine Einladung, der eigenen Wohnbiografie nachzuspüren – und den stillen Räumen, die wir in uns tragen.

Doris Dörrie hat in vielen Wohnungen gelebt: in provisorisch eingerichteten Studentenbuden und Wohngemeinschaften, in einem alten Haus auf dem Land, sogar in einem Obdachlosenheim in New York. Niederlassen, Wurzeln schlagen, sich fest einrichten, das wollte sie nie.

Wohnbiografie als Lebensgeschichte

In "Wohnen" erzählt Dörrie ihr Leben als Wohnende und spürt dabei spannenden Fragen nach: Wie hängen Leben und Wohnen zusammen? Wie prägt uns die Wohnung unserer Kindheit? Was bedeutet es, Raum einzunehmen – besonders für Frauen? Und, auf das eigene Leben zurückblickend: Was bedeutet es für Doris Dörrie ganz persönlich?

Doris Dörrie

Reisen, Räume, Rollen – und wer hat das Recht auf Raum?

Wie andere wohnen, das hat die Autorin immer schon fasziniert. In Kalifornien geht sie als junge Frau zu Hausbesichtigungen, nicht aus Kaufinteresse, sondern um sich andere Leben in anderen Räumen auszumalen. Auf ihren unzähligen Reisen nach Japan, Mexiko, Marokko, Amerika und Südeuropa sieht sie, wie eng das Wohnen an die jeweilige Kultur geknüpft ist. Und bei ihrer Arbeit als Filmemacherin wird sie zur Expertin für das Erschaffen künstlicher Wohnwelten.

Eine unendliche Vielfalt an Wohnformen tut sich auf – und immer wieder auch die Frage: Wo ist in all diesen Häusern und Wohnungen eigentlich der Raum für die Frauen geblieben? Ist aus der "Hausfrau" bloß eine "Frau im Haus" geworden – oft ohne eigenen Raum? Dörrie sucht etwas anderes: ihre eigene Art des Wohnens.

Die Prägung durch das Zuhause der Kindheit

Dörries Schwestern leben ganz anders als sie selbst – fest verwurzelt an einem Ort mit viel Wertschätzung für Design und schönes Wohnen, fürs Kochen und Gärtnern. Wir haben wohl die Wahl, sinniert Dörrie, gegen das Wohnen unserer Kindheit zu rebellieren oder es zu imitieren. "Wir tragen den Ort, an dem wir aufgewachsen sind, für immer in uns, und wenn wir Glück haben, war es ein geschützter, sicherer Ort", schreibt sie. Für sie war es ihr Kinderzimmer – ein Rückzugsort, in dem sie las, schrieb, träumte.

Später, als Erwachsene, entdeckt sie diesen inneren Raum wieder, als sie in einem Café sitzt: "Ich saß in einer Ecke, hörte das Gemurmel der anderen und war dennoch ganz für mich. Wenn ich Glück hatte, verfiel ich in Trance – wie in meinem Kinderzimmer. Und ich verstand: Hier ist für immer mein Raum. Ganz für mich allein. My room of my own." Vielleicht, schlussfolgert Dörrie, geht es bei der Suche nach einer Traumwohnung gar nicht um Quadratmeter oder Möblierung, sondern um den inneren Raum, in dem wir finden können, was wir im äußeren Raum suchen.

Ein literarischer Essay – leise, klug, bewegend

Doris Dörrie ist mit "Wohnen" ein kluger, inspirierender Essay gelungen, der uns einlädt, dem eigenen Leben und Wohnen nachzuspüren und bewusst Raum zu schaffen für das, was uns wirklich wichtig ist – im Innen und im Außen.

 

Wohnen
Doris Dörrie
20,00 € (DE)
ISBN 978-3-446-27963-6
128 Seiten
Hanser Berlin