Börsenblatt Young Excellence Award 2025

Max Schlegel: Der Comic-Botschafter

13. Juni 2025
Jona Piatkowski

Max Schlegel vom Splitter Verlag ist bekannt als Botschafter für das Medium Comic. Der SplitterCast-Host ist nominiert für den #yeaward 2025.

Max Schlegel vor Comicregal

Max Schlegel

Splittercast


Ein Wispern direkt im Ohr: "Splitterca-Splitterca-Splitter-Splittercast", unterbrochen von klirrendem Glas – "Hallo und herzlich willkommen zum SplitterCast […]. Mein Name ist Max und in diesem Podcast spreche ich mit Macherinnen und Machern aus der deutschsprachigen Comic-Szene." In der Community kennt man ihn – "fast schon selbst ein Influencer" heißt es unter den YouTube Videos, in denen er mit Vlogger:innen und Fans über Comics und Graphic Novels philosophiert: Max Schlegel. Selbst möchte er sich lieber nicht zu wichtig nehmen: "Sonst versteife ich und verlier' die Authentizität." Max ist es gewohnt, Interviews zu führen und redet gerne mit Menschen – er wirkt unaufgeregt, zugänglich und sympathisch. "Sonst würde so ein Podcast auch gar nicht funktionieren. Die Leute interessieren sich nicht für eine Institution – man muss eine persönliche Bindung anbieten." Als eines der Gesichter des unabhängigen Comicverlags Splitter geht es ihm darum, für das Medium zu werben. "Wenn man begeistern will, muss man begeistert sein, glaube ich. Man muss sich erlauben, sich mitreißen zu lassen."

Erweckungsmoment

Oder noch besser: man ist schon mitgerissen. Seit seiner Kindheit liest Max Schlegel Comics und sieht die Anfänge seiner Begeisterung auf dem Schoß seines Opas, der ihm Max und Moritz vorlas. Was mit Asterix und den Lustigen Taschenbüchern begann, wurde an der Universität dann ernst: "Ich hatte in meinem Studium ein Seminar zu Alison Bechdels autobiografischer Graphic Novel 'Fun Home'." Was nach Spaß klingt, ist eine Abkürzung für "Funeral Home" – "Bestattungsinstitut". Die Art und Weise, wie Bechdel komplexe Themen wie Familie, Sexualität und Suizid im Zusammenspiel aus Text und Bildern aufgreift, beeindruckte den damals Anfang 20-Jährigen enorm: "Ich war komplett fasziniert, wie intelligent sie mit Subtexten und intertextuellen Verweisen arbeitet. Vorher wusste ich, dass Comics mir Spaß machen, aber das war, als hätte ich zum ersten Mal in meinem Leben einen Film gesehen."

Von da an war Max klar, dass er in der Comicbranche arbeiten wollte. Er stürzte sich in den Kanon der Graphic Novels von Frank Miller über Art Spiegelman bis Marjane Satrapi, begann eine kleine Sammlung auch deutscher Autor:innen wie Flix, Ulli Lust oder Reinhard Kleist aufzubauen und widmete seine Masterarbeit dem Thema Autobiographien und wie diese speziell als Comic Authentizität vermitteln. Das Paralleluniversum, in dem er eine akademische Laufbahn eingeschlagen hätte, war greifbar nahe: Über ein Austauschprogramm verbringt Max Schlegel ein Semester an der Colgate University in Hamilton, New York, dann durch "Erasmus" ein weiteres in Oslo und ist während des Studiums als Lehrassistenz oder in den USA am German Department als Foreign Language Tutor tätig. "Man hat mir gespiegelt, dass ich ein akademisches Mindset habe, und für einige Zeit habe ich mit der Überlegung gespielt, an der Uni zu bleiben. Aber als ich gesehen habe, dass diese Laufbahn trotz des immens hohen workloads sehr unsicher ist, wollte ich lieber in die Kulturvermittlung."

 

Comic & Community: Comic-Unity

Max Schlegel versteht Verlage nämlich als Kulturvermittler. "Klar, wir sind ein wirtschaftliches Unternehmen, aber wir bringen die Kunstform Comic an die Menschen. Ob trashige Sci-Fi-Bände, anspruchsvolle Literaturadaptionen, Comics für Kinder oder Erotisches für Erwachsene – wir machen das alles." Was nicht bedeutet, dass er selbst alles daran toll findet und nichts davon kritisiert: "Es ist mittlerweile ein Running Gag im Podcast, dass ich mit dem brasilianischen Science-Fiction Autor Leo nichts anfangen kann – ich finde seinen Stil etwas betulich und die Zeichnungen gruselig. Aber seine Werke sind bei vielen sehr beliebt." Das Stichwort ist wieder Authentizität. Ja, der Podcast heißt Splittercast, aber Max spricht dort als eigene Person – er sieht das Format eher als Plattform des Austausches für die Comic-Community: "Für viele, die lesen, ist das Verlagsbusiness, das Machen von Büchern, eine totale Blackbox. Aber die Menschen interessiert, was dazu gehört, ein Buch zu erschaffen. Und vor allem interessiert sie, wer die Menschen sind, die die Bücher machen."

Für viele, die lesen, ist das Verlagsbusiness eine totale Blackbox.

Das Glück in der Comicbranche

"Die Comic-Verlagsbranche versteht sich genau als das: als gemeinsame Branche. Es gibt ein ganz großes Miteinander und eine sehr familiäre Atmosphäre. Alles, was gut für das Medium Comic an sich und als Kunstform ist, finden wir alle gut." Sein Einstieg in die Verlagswelt der Comics und Graphic Novels war noch während des Studiums ein dreimonatiges Praktikum in Zürich bei der Edition Moderne. Der damalige Verleger David Basler führte Max Schlegel in ein "unfassbar kreatives Umfeld" ein: "Es war ein Atelier für Künstler:innen und Grafiker:innen – jeden Tag hat jemand für alle gekocht, David Basler hat mich mitgenommen zu Vernissagen, er hat mir Manuskripte zum Lesen gegeben und mich gefragt, was ich davon halte. Es ging nicht um bänkerischen Ehrgeiz, sondern da wollte jemand Comics verlegen, weil er Comics liebt." Und diese Einstellung teilt Max: "Wenn etwas jemanden begeistert, wird es auch gut. Und wenn etwas gut ist, findet sich auch ein Publikum. Ich denke, Medienunternehmen sollten an dem Glauben festhalten, dass Qualität sich durchsetzt." Über all diese Erfahrungen und Schritte in seinem Lebenslauf spricht Max Schlegel als "großes Glück" und "Privileg" – denn nach dem Studium war er keineswegs sicher, ob das mit der Comicbranche klappen würde. "Ich war auch bereit mich umzuorientieren, falls ich nach Monaten noch nichts gefunden hätte. Wenn man Literaturwissenschaft studiert, dann weiß man, dass man sich keine Illusionen machen darf."

Faible für Nerdkram

Heute ist er beim Splitter Verlag zuständig für Marketing und Öffentlichkeitsarbeit, worunter auch Social-Media- und Pressearbeit fallen, und beteiligt an nahezu allen Arbeitsschritten, die nicht das grafische Design der Comics selbst sind. Er organisiert Messeauftritte, kommuniziert mit Fans, Verlagen und der Presse und lektoriert auch immer wieder selbst Texte. Sein Baby ist aber natürlich der SplitterCast. "Ich höre selber gerne Podcasts – allerdings nicht zu Comics. Auch ich kann mich nicht 24 Stunden am Tag mit Comics beschäftigen." Was er sonst macht? "Anderen Nerdkram", lacht er. Magic The Gathering oder Das Schwarze Auge mit Freunden zum Beispiel. Die meisten Dinge, die Max Schlegel privat macht, sind sozial, aber Sport ist für ihn der Moment, den er nur für sich hat: "Da brauche ich auch niemand anderen für."

 

Ich höre selber gerne Podcasts – allerdings nicht zu Comics.

Ankommen

Max Schlegel fühlt sich in Bielefeld und beim Splitterverlag angekommen – auch in der Zukunft möchte er von dort aus Comics verbreiten. Er träumt von einer Ausstellung zum Thema Comic, speziell: das Handwerk des Verlegens und Publizierens. "Ich finde das super spannend und spaßig – aber vielleicht bin ich damit allein. Im Podcast würde ich jetzt sagen: Schreibt uns gerne in den Kommentaren."

Es ist der Traum davon, dass seine geliebte Kulturform auch in Deutschland endlich ankommt. "Comics sind nicht einfach nur Romane mit Bildern oder Bilderbücher mit Sprechblasen – das ist eine ganz eigene Art, zu erzählen." Für alle Interessen, Vorlieben und Lesemotive gäbe es auch einen passenden Comic.

Comics sind nicht einfach nur Romane mit Bildern oder Bilderbücher mit Sprechblasen – das ist eine ganz eigene Art, zu erzählen.

Interessen entwickeln

"Wir leben in einer unfassbar übermedialisierten Welt", findet Schlegel. "Man muss nicht alles mögen, aber ich glaube, man sollte versuchen, sich einer möglichst großen Vielfalt auszusetzen und davon auszugehen, dass es da etwas gibt, das man mögen könnte."

Kurzvita

Max Schlegel
*1991 geboren in Köln
2013

Bachelor of Arts in Sprach- und Literaturwissenschaft und English and American Studies an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg

2014 Foreign Language Tutor an der Colgate University in Hamilton (New York)
2016 Praktikum beim Comicverlag Edition Moderne in Zürich
2017 Master of Arts in Europäische Literaturen und Kulturen an der Albert-Ludwigs-Universität in Freiburg
Seit 2018 Manager für Marketing, Presse & PR beim Splitter Verlag in Bielefeld
Juni 2020 Erste Folge des Podcasts SplitterCast

 

Über den Börsenblatt Young Excellence Award 

Der Börsenblatt Young Excellence Award ehrt herausragende Persönlichkeiten bis 39 Jahre, die in der Buchbranche etwas bewegen – sei es in einer Buchhandlung, im Verlag, bei einem Dienstleistungsunternehmen oder in Selbständigkeit. Das Fachmagazin Börsenblatt vergibt die Auszeichnung zusammen mit den Unternehmen der Börsenvereinsgruppe: Börsenverein des Deutschen Buchhandels, Frankfurter Buchmesse, Mediacampus Frankfurt und MVB. Die future!publish unterstützt den #yeaward25 als Partner. 10 Young Professionals sind nominiert: www.young-excellence-award.de