Eindringlich beschreibt sie, was sie erlebt hat: "Ich sehe, dass Leute unter den widrigsten Umständen, unter den größten Repressionen in der queerfeindlichsten und unterdrückerischsten Umgebung wahnsinnig viel auf die Beine stellen. Leute bauen Communitys auf, Safe Spaces, sei es für queere oder andersdenkende Menschen in autoritären Regimes. Die Leute gehen ein großes persönliches Risiko ein. Aber überall gibt es Räume. In Kirgistan gibt es einen queeren Club, und da steht die Adresse nicht im Internet, sondern man muss nachfragen, wo der ist. Immer wieder finden Polizeirazzien statt, aber jeden Tag machen die auf, jeden Tag sind die da, jeden Tag gehen die Leute da tanzen."
Es gäbe einem wahnsinnig viel Mut und Hoffnung, dass sich viele Menschen nicht verstecken. Viele posten sogar in den Sozialen Medien. Auch für Schneiders Russisch-Lehrerin, die in Kyjiw wohnt und sie online unterrichtet, geht das Leben trotz Krieg und permanentem Luftalarm weiter. Schneider ist einfühlsam: "Ich spreche das nicht so viel an, weil ich denke, sie hat genug damit zu tun, damit klarzukommen. Wir reden eher über die größeren Zusammenhänge, etwa: Was bedeutet Trump für das Ganze?" Einmal ist ihre Lehrerin bereits nach Frankfurt gereist. "Wir waren zusammen in Deutschlands ältester Lesbenbar in Frankfurt, im La Gata aus den 70ern."
Über ihre eigene Queerness spricht Norma Schneider nur am Rande: "Ich hab sehr lange nicht gedacht, dass ich queer bin. Heute verstehe ich mich als pansexuell, vielleicht aromantisch. Für mich selbst ist das Label nicht ganz klar und auch nicht notwendig zu definieren, das ist mir nicht wichtig." Für viele andere, kommt sie wieder aufs Gesamtgesellschaftliche zu sprechen, seien Labels für die eigene Identität entscheidend. Gleichzeitig sei das Sprengen von Labels und das Ablehnen von Kategorien auch ein Thema; "diese Spanne finde ich wahnsinnig interessant, das ist eben kein Entweder-oder".
Noch eine Begebenheit aus dem unterdrückerischen Russland schildert sie: "Für mein Buch habe ich mit einem Journalisten gesprochen, der wollte, dass ich ihn mit seinem richtigen Namen zitiere – und dass ich ihm ein Exemplar des Buchs nach Russland schicke. Der Verlag und ich waren sehr skeptisch, ob das eine gute Idee ist …" Doch der Mann kennt einen Trick, wie Sendungen ihn erreichen können, ohne dass seine Privatadresse draufsteht. "Und das hat tatsächlich funktioniert", wundert sich Norma Schneider noch immer: "In Russland ist ein Exemplar von 'Punk statt Putin' gelandet. Schon irre."