Literarisches Leben

Ein Memento für Rüdiger Hildebrandt

24. August 2007
von Börsenblatt
Soeben erreicht uns ein sehr persönlich gehaltenes Memento des Zürcher Verlegers Egon Ammann für Rüdiger Hildebrandt, zu dessen Tod wir unlängst einen Nachruf von Klaus G. Saur online publiziert haben. Hier die Erinnerungen Ammanns an den Verstorbenen:
Ein Memento für Rüdiger Hildebrandt Wenn er morgens gegen neun, ferdernden Schrittes, unter seinem schwarzen oder braunen Schlapphut, je nach Saison wusste sich der Ästhet, der er auch war, zu kleiden, die stille Neptunstrasse hochkam, auf dem Weg zum Verlag, spielte öfter mal ein leises Lächeln um seinen Mund. Es muss ein Zeichen seiner Zufriedenheit mit sich, der Welt und vielleicht auch mit uns, dem Ammann Verlag, gewesen sein. Gelegenheit, ihn so zu beobachten, hatte ich während seiner Besuche bei uns immer wieder, dann, wenn er auf dem Weg zu uns war und ich, auf dem Weg zum Bäcker, dort meine erste Zwischenverpflegung holte. Es kreuzten sich gewissermaßen bereits auf dem Anmarsch zum Verlag unsere Wege. Rüdiger Hildebrandt war mir während drei, vier Jahren ein stets fröhlicher, unternehmungslustiger, witziger und hellwacher, wenn auch überaus pingeliger Gesprächspartner, der es verstand, mit seinem Rotstift stets auf die wunden Punkte der Verlagsökonomie zu zeigen, was ja auch seine Aufgabe war. Er, der Buchhändler, der Vertriebsmann, der Kaufmann, der erfolgreiche Verlagsleiter, der von der Pike auf seinen Weg zur allseits respektierten, von Buchhändlern wegen seiner Rabatt-Rechenkünste teils gefürchteten jedoch gern gesehenen Verlagspersönlichkeit gegangen ist, hat wie kaum ein anderer in unserer Branche durch sein Beispiel für viele bekannte und unbekannte Berufsgenossen wegweisend gewirkt. Er hatte viele Freunde, er hatte Gegner, und schade nur, dass er die jüngsten rasanten Entwicklungen der letzten Jahre in unserer Branche nicht mehr aktiv hat mitmachen können. Ich hätte seine Stimme dazu gerne gehört. Wie auch immer, er war zuerst ein Verlagsökonom, und dann war er auch ein Geniesser, ein Kenner der Literatur, ein Leser nota bene, der ebenso beschlagen war bei den Klassikern und ihren Werken wie bei den Arbeiten der zeitgenössischen Autoren. Gespräche mit ihm über Literatur waren stets kleine Ausflüge in ein freundschaftliches Tuskulum, wo neben den Disputen um Werke der Wein und die Speisen, wenn auch in ökonomischen Maßen, diese Vorgaben legte er auch bei solchen Gelegenheiten nicht ab, genossen wurden. Ihm zuzuhören war stets bereichernd und spannend, sein argumentativer Ansatz kam zwar aus einer für mich ungewohnten Ecke, seine Ausführungen endeten aber stets in der zentralen Mitte. Rüdiger Hildebrandt war keine arrogante Persönlichkeit, er konnte die Ärmel ebenso hochkrempeln und zulangen wie, mit steifem Kragen comme il faut, darüber einen neckischen Schlips gebunden, zäh von seiner Einsicht gesteuert und verbissen, mich von meinem eingeschlagenen Kurs der Verlagsausrichtung abzubringen versuchen. Ich habe denn auch auf sein Drängen hin einen Ausflug in die Unterhaltung gemacht, die Bücher waren nicht schlecht, jedoch erfolglos, und als ein gestandener Buchhändler aus Hannover, den er sehr gut kannte, beim Anblick des unterhaltenden Angebots äußerte, von Ammann erwarte er keine solchen Schmöcker, sondern Literatur, da musste auch er einsehen, nicht nur des Misserfolgs wegen, dass in „seinem“ Verlag die zu verfolgenden Perspektiven bereits aufgezeigt waren. Er hat sich an unseren Erfolgen ebenso gefreut wie an den wunderbaren Poesie-Bänden des Ossip Mandelstam, des Fernando Pessoa, des Antonio Machado, der Erzählkunst von Thomas Hürlimann und anderer. Er, der mir stets zu bedenken gab, Poesie sei eine brotlose Sache für Verleger, kam eines Tages beinahe verschämt zu mir und fragte, ob ich nicht die Gedichte eines seiner Bekannten ins Programm nehmen könnte, die Texte hätten ihn doch sehr überzeugt. Selbst bei ihm, dem hartgesottenen Betriebswirt und Rechenkünstler, schlugen zwei Herzen in seiner Brust. Souverän ging er mit meinem abschlägigen Bescheid um. Was ich sagen will, ist einfach, denn von ihm habe ich gelernt, was als Anekdote von Samuel Fischer erzählt wird: die Herren Hoffmansthal und Thomas Mann gingen auf Distanz zu ihrem Kollegen Stefan Zweig, worauf ihnen Samuel Fischer zu bedenken gab: Meine Herren, er bezahlt uns. Die Aufgabe von Rüdiger Hildebrandt war während unserer Zusammenarbeit für ihn nicht nur eine erfreuliche, für uns jedoch eine hilfreiche. Er hat dem Verlag bewährte betriebswirtschaftliche Strukturen aufs Auge gedrückt, die wir heute noch verfolgen, dankbar darüber, dass er sie für uns, anfänglich gegen uns, klug erkämpft hat. Wenn sich unsere Wege oftmals gekreuzt haben, zusammengekommen sind wir immer, und nicht nur in den Schnittpunkten. Ich denke, beide haben voneinander profitiert. Und beide sind und bleiben einander in Hochachtung und Freundschaft verbunden. Egon Ammann