Buchwissenschaft

15. Mainzer Kolloquium: Dem Sachbuch auf der Spur

1. Februar 2010
von Börsenblatt
Was macht ein erfolgreiches Sachbuch aus? Und was ist ein Sachbuch überhaupt? Das 15. Mainzer Kolloquium am Institut für Buchwissenschaft widmete sich diesmal einem ganz speziellen Genre – aus gegebenem Anlass.
Zum neu gegründeten Mainzer Verlagsarchiv der Johannes Gutenberg Universität gehören unter anderem die Rowohlt-Archivalien aus dem Segment Sachbuch. Das Institut für Buchwissenschaft wird diese Dokumente erschließen und machte das Sachbuch deshalb folgerichtig zum Thema seines 15. Mainzer Kolloquiums. Ein Wissenschaftler, ein Autor und drei Vertreter der Verlagsbranche kreisten dabei am vergangenen Freitag den Sachbuch-Markt ein.

"Überall hört man’s und immer wieder, die Verkaufserfolge der Buchhandlungen bestätigen es ebenso wie die Bemühungen der Verleger [...]: Ein sehr großer Teil des Leseinteresses ist heute auf das Sachbuch gerichtet. Da trifft es sich unglücklich, daß niemand so recht weiß, was ein Sachbuch eigentlich ist." Wie dieses Zitat aus der "Zeit" vom März 1967 zeigt, beschäftigt sich die Branche seit mindestens 40 Jahren mit dieser Frage. Zudem bleibt das Sachbuch weiterhin ein wichtiges Marktsegment, trotz deutlicher Umsatzeinbußen in den vergangenen zwei Jahren.

Einen Überblick über Definitions- und Abgrenzungsversuche bot David Oels von der Humboldt-Universität Berlin. Hier wird in Kooperation mit der Universität Hildesheim über "Das populäre deutsche Sachbuch im 20. Jahrhundert" geforscht. Erste Arbeitsergebnisse findet man unter www.sachbuchforschung.de.

Der Begriff selbst wurde im pädagogischen Bereich geprägt und erstmals 1918 präzise fixiert. Festzustehen scheint, dass ein Sachbuch Wissen und Unterhaltung verbindet. Als frühes Beispiel für Erfolg stellte Oels die 1932 gegründete Reihe "Unterhaltsame Wissenschaft" vor. Schon der erste Band »Du und die Erde« setzte Maßstäbe in Erzählweise und Ausstattung – die Umschlagrückseite ließ sich zu einer Weltkarte auseinanderfalten.

Neben engen Definitionen, die das Sachbuch gegenüber Fach- und Schulbüchern, Lexika, Ratgebern und der Belletristik abgrenzen, gibt es auch die schlichte Gliederung in Fiktion und Non Fiktion. Die 2007 neu geordnete Warengruppensystematik des Buchhandels unterscheidet bekanntlich in Ratgeber (WG 4), Sachbuch (WG 9) und Fachbuch (WG 5). In der Praxis bleiben dennoch Fragen offen, man könnte ein Spiel daraus machen: Ist Margot Käßmanns "In der Mitte des Lebens", aktuell auf Platz 3 der Spiegel-Bestsellerliste, wirklich ein Sachbuch? Oder eher ein Ratgeber? Oder gar eine Art Biografie? Obwohl man gerade Sachfragen schneller im Internet recherchieren kann, zeigt das Sachbuch eigene Stärken, die da heißen "Unveränderlichkeit und Dauerhaftigkeit".

Die Re-Literarisierung durch Autoren wie Daniel Kehlmann oder Frank Schätzing bringt dem Genre zusätzliche Vorteile. So lautete Oels Fazit: "Die vielfältige und nicht auf die Wissensvermittlung reduzierbare Tradition des Sachbuchs, die im Schillernden und Mehrdeutigen des Begriffs bewahrt wird, bietet genügend Potential auch für den nächsten Medienumbruch".

Der Bestsellerautor Dr. Stefan Klein untermauerte dies. Eine Erfolgsformel für Sachbuch-Bestseller lieferte er zwar trotz seines Vortragstitels "How to write a bestseller" nicht, dafür machte er deutlich, wie wichtig professionelle Erzählkunst ist und die Leidenschaft fürs Thema. Sachbücher dienen zudem nicht nur der Horizonterweiterung einer allgemein interessierten Leserschaft, sie fördern auch die Kommunikation zwischen Spezialisten, Auswirkungen auf die künftige Forschergeneration inklusive. So sind Sachbuchautoren vor allem "Brückenbauer".

Michael Schikowski, Campus Verlag, bekannte ebenfalls: "Wissenstransfer allein reicht nicht aus". Trends, Jubiläen und aktuelle Problemlagen zu bedienen, führe ebensowenig automatisch zum Erfolg. Es sei wichtig, ein Buch auch mal ganz gegen jeden Trend und "nur" aus Leidenschaft zu machen. Er verwies unter anderem auf Stefan Klein: Er hat im Darwin-Jahr einen Band über Leonardo da Vinci herausgebracht und landete damit einen Bestseller. Erhellende Einblicke in die Verlagspraxis gaben den rund 250 Kolloquiumsteilnehmern zudem Jens Dehning von Rowohlt Berlin und Sabine Cramer von Bastei-Lübbe.