avj-Hauptversammlung in Berlin

"Das Kinderbuch ist unverzichtbar"

13. Juni 2010
von Börsenblatt
Ach, die niedlichen Kinderbücher – vom Image als Hersteller schöner Nebensächlichkeiten haben Kinder- und Jugendbuchverleger genug. Sie sehen sich als Kultur- und Bildungsvermittler. Und wollen auch so behandelt werden. Ulrich Störiko-Blume, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft von Jugendbuchverlagen (avj), im Interview.

Ein kurzer Rückblick: Wie lief das letzte Geschäftsjahr für die Kinder- und Jugendbuchverleger?
Ulrich Störiko-Blume: Es war ein gutes Jahr. Wir konnten zur Leipziger Messe verkünden, dass der Marktanteil der Kinder- und Jugendbücher jetzt bei etwa 15 Prozent liegt.

Trotzdem sank der Umsatz im Kinder- und Jugendbuch laut Branchenmonitor Buch im April um 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, im Februar sogar um 27 Prozent.
Monatliche Betrachtungsweisen sind so hilfreich wie aktuelle Börsenkurse für die Bewertung der wirklichen Substanz von Unternehmen. Der langfristige Trend ist interessant. Das Jahr hat zwar etwas verhalten angefangen, aber was ich von den Mitgliedern höre, sieht das zweite Quartal recht positiv aus.

Mit der "Berliner Erklärung" appelliert die avj an die Politik, dem Kinderbuch einen höheren Stellenwert in der Gesellschaft einzuräumen. Haben Sie da nicht schlechte Karten in Zeiten von Sparrunden?

Wir verlangen keine Subventionen für Verlage. Vielmehr fordern wir eine Politik, die das Kinderbuch als unverzichtbaren Beitrag zu Kulturvermittlung und Bildung sieht. In Nordrhein-Westfalen gibt es die Initiative "Ein Instrument für jedes Kind", in den USA das Projekt "No Child left Behind". Ein kleines Land wie Holland veranstaltet eine nationale Kinderbuchwoche. Das sind die Initiativen, die wir brauchen. In Ganztagsschulen, die ich mir sehr wünsche, müsste es Lesezirkel geben.

Klingt sehr altmodisch in Zeiten von Playstation und Nintendo.
Wir leben mit der Gleichzeitigkeit alter und neuer Medien. Natürlich ist Nintendo ein Riesending. Aber Computerspiele werden das Buch nicht verdrängen. Umfragen belegen, dass das Lesen immer im oberen Drittel der liebsten Freizeitbeschäftigungen von Kindern ist.

Heute sah ich eine junge Mutter in der Straßenbahn, die ihrem Kind kein Pixibuch gereicht hat, sondern ein Handy mit einem Song. Gefahr oder Chance für Kinderbuchverlage?
Das Thema, welche digitalen Medien Kinderbuchverlage entwickeln können, hat die Teilnehmer der avj-Tagung sehr beschäftigt. So sehr, dass wir beschlossen haben, bis Ende des Jahres eine Fachtagung zum Thema E-Publishing für Kinderbuchverlage auf die Beine stellen.

Welche weiteren Pläne hat die avj?
Wir wollen uns enger mit anderen Gremien im Börsenverein vernetzen, insbesondere mit dem Verlegerausschuss. Zudem werden wir mit unseren Forderungen stärker an die Öffentlichkeit treten. Eine erste Fingerübung haben wir in der Auseinandersetzung mit der "Zeit" gemacht, die das Kinder- und Jugendbuch aus dem Feuilleton geworfen hat. In Windeseile haben wir praktisch alle deutschen Kinder- und Jugendbuchverlage zur Unterschrift gewinnen können. Wir sehen es als unsere Aufgabe, solche Debatten weiterhin zu führen. Auf der Frankfurter Buchmesse planen wir eine Podiumsdiskussion zum Thema "Was ist die Rolle der Kinderbuchkritik in Zeitungen?"

Die avj ist der Fachverband für Verlage, die Kinder- und Jugendbücher, aber auch audiovisuelle Medien, Kalender, BuchPlus-Produkte und vieles mehr für Kinder und Jugendliche herausgeben. Sie wurde im Jahre 1950 gegründet. Mittlerweile gehören ihr über 80 Verlage aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an. Am Mittwoch fand die jährliche Hauptversammlung in Berlin statt.