Berlin

Der Verbrecher Verlag feiert Geburtstag

13. August 2010
von Börsenblatt
Mit einem Werk des damals unbekannten Autor Dietmar Dath inaugurierten Werner Labisch und Jörg Sundermeier 1995 ihr Verlagsgeschäft: „Cordula killt dich! Oder: Wir sind doch nicht die Nemesis von jedem Pfeifenheini“. Passender Titel zum seinerzeit schon existierenden Verlagslogo, in dem ein Strichmännchen ein anderes mit einer Pistole bedroht.

Gleichwohl lief das Geschäft finanziell sehr schleppend; PR statt Pistole wäre wohl effektiver gewesen. „Die Verkaufszahlen lagen jährlich im zweistelligen Bereich“, erinnert sich Labisch, der vom Studentenwohnheim in Berlin die einzelnen Bücher an die Leser schickte. Nachdem auch Kollege Sundermeier von Bielefeld nach Berlin gewechselt war, ließ man Literaturwissenschaft, Germanistik, Philosophie und Geschichte sein und brachte in einem kleinen Büro in Berlin-Mitte „Partysan“ heraus, ein Berliner Ausgeh-Magazin.

Die Verlagsambitionen waren vergessen. Bis 1999 der befreundete Comiczeichner Oliver Grajewski anregte, seinen „Tigerboy #16“ herauszubringen. Seither verlegen die Verbrecher wieder und veranstalten werbewirksam die so genannten Verbrecherversammlungen: Lesungen, Diskussionen, Buchvorstellungen. „Wir haben ja kein Geld für Anzeigen, müssen aber eine Marke haben.“ Zunächst im legendären Kaffee Burger, findet die Reihe nun im Kreuzberger „Monarch“ statt.

Seit 2003 befindet sich auch der Verlagssitz in Kreuzberg. Die beiden Verleger und ihre meist freien Mitarbeiter haben inzwischen 150 Titel verlegt, darunter Werke von Gisela Elsner, Irmtraud Morgner, Peter O. Chotjewitz und des Kabarettisten Georg Kreisler. Linkspolitisches ergibt sich durch die Kontakte der beiden Verleger, die sich selbst auch journalistisch betätigen, zu Junge Welt, Jungle World und taz. Eine Filmreihe ist hinzu gekommen, und Kult gehört zum festen Programm, seien es Kurzgeschichten aus der „Partysan“-Zeit, Leichtes der jungen flotten Berliner Autorenriege oder – Überbleibsel aus den ersten Verlagsjahren –  „TafelMuzak“, eine Kolumne, die Musik, Essen (und natürlich Literatur) miteinander verbindet.

Stolz ist Labisch aufs verlegerische Ethos: „Wir trauen uns, Bücher zu machen, die sonst keiner verlegt“ – einen 1000-Seiten-Band oder ein unaufführbares Drama – denn stets „geht es um den Text, nicht um die Autoren-Namen.“ Und dann haut er „die alte Sabbelkiste“, den Flipperautomaten im Monarch, mit einer Bewegung aus und zuckt die Achseln: „Bin seit 25 Jahren in der Kneipe. Ist toll hier, unter uns das Kotti, die U-Bahn rauscht vor der Fensterfront, im Winter ist’s schön kuschelig.“ Geraucht werden darf auch noch. Nur Labisch raucht seit sechs Jahren nicht mehr mit: „Da muss man durch.“ Und dann geht’s auch – und zwar immer weiter und ein bisschen besser. Kleinverlag halt.