Digitalisierung

Durchbruch in Paris: Hachette nutzt Googles Dienste für vergriffene Titel

18. November 2010
von Börsenblatt
Der französische Verlagsriese Hachette Livre – eine Tochter des Lagardère-Konzerns – und der Internetkonzern Google haben nach eigenen Angaben eine bahnbrechende Vereinbarung über die Digitalisierung vergriffener Titel aus dem Bestand von Hachette abgeschlossen. Börsenvereinsjustiziar Christian Sprang begrüßte die Einigung als "wunderbare Entwicklung".

Sie sei zustande gekommen, nachdem Google von einem französischen Gericht dazu verurteilt worden war, das ungenehmigte Scannen von Hachette-Titeln zu unterlassen. Der entscheidende Punkt des Vergleichs: Hachette bestimmt, wann welche Titel gescannt  werden, und ob sie in den Verkauf kommen sollen.

Von der Übereinkunft sind rund 50.000 überwiegend in Vergessenheit geratene Werke der französischen Literatur sowie Sachbücher betroffen, die alle noch urheberrechtlich geschützt sind. Im Gegensatz zu den US-Verlagen, die immer noch auf den Ausgang des Google Book Settlement warten, behält Hachette nicht nur die Kontrolle über seine Rechte, sondern kann auch die Preise für die von Google digitalisierten Titel selbst festsetzen – etwa für den Fall, dass sie im Programm von Google Editions verkauft werden sollen. Aber auch der Vertrieb der E-Books über andere Plattformen ist von vornherein möglich.

Hachette und Google hoffen, dass die Vereinbarung auch weiteren französischen und europäischen Verlagen (darunter spanischen Häusern) als Vorbild dienen könnte. Google-Books-Direktor Dan Clancy erklärte laut Financial Times, Vereinbarungen wie die mit Hachette machten frühere Differenzen irrelevant. Hachette-Chef Arnaud Nourry sagte, der Deal bedeute eine Anerkennung der Rechte von Verlagen und Autoren.

"Sieg des Urheberrechts"

Christian Sprang gab zur Einigung zwischen Google und Hachette eine Erklärung ab, die den Vorgang in die Diskussion um das Google Book Settlement, um vergriffene Werke und die europäischen Aktivitäten zum Aufbau einer digitalen Bibliothek einordnet:

"Das ist eine wunderbare Entwicklung. Autoren und Verlage haben nie gegen Google gekämpft, sondern stets für das Urheberrecht. Der Vergleich ist ein Sieg des Urheberrechts.

  • Die Vereinbarung betrifft nur Hachette-Bücher. Es bleibt dabei, dass Google nach europäischer und deutscher Rechtslage für das Scannen und die Internetnutzung bei jedem einzelnen Buch die Genehmigung des jeweiligen Rechteinhabers (Verlag oder Autor) benötigt – ansonsten liegt ein Urheberrechtsverstoß vor.
  • Jeder (deutsche) Verlag mag für sich selbst entscheiden, ob er ähnliche Vereinbarungen mit Google treffen will oder nicht. Prüfen sollte er dabei stets, ob er aufgrund seines Verlagsvertrags mit dem Autor über die Online-Rechte an den vergriffenen Werken seines Katalogs verfügt. Letztlich sollte das Interesse des Autors bei der Entscheidung im Vordergrund stehen.
  • In Deutschland haben sich Autoren, Verlage, Verwertungsgesellschaften und Bibliotheken darauf verständigt, dass vergriffene Bücher zentral in einer zu errichtenden Deutschen Digitalen Bibliothek im Internet zugänglich gemacht werden. Diese soll ihrerseits Teil des europäischen Projektes Europeana werden. An der Wichtigkeit der Realisierung dieses Vorhabens, das der Mitwirkung von Politik und Gesetzgeber bedarf, hat sich nichts geändert. Nur auf diese Weise kann eine lückenlose Erschließung des deutschen Kulturerbes in Buchform gewährleistet werden, in die selbstverständlich auch sämtliche Internetsuchmaschinen eingebunden sind. Daneben ist es Autoren und Verlagen unbenommen, die kommerzielle Verwertung ihrer vergriffenen Bücher selbst in die Hand zu nehmen oder darüber Verträge mit Partnern wie Google abzuschließen."