Kommentar

Nichts in der Hand

16. Dezember 2010
von Börsenblatt
Mit Google eBooks wandert die private Digitalbibliothek in die Datenwolke – die Cloud. Doch welchen Zugriff hat der E-Book-Käufer noch auf seine Titel? Und was geschieht mit seinen Daten? Ein Kommentar von Michael Roesler-Graichen.
Leben wir schon alle im Netz? Sind wir rund um die Uhr – »24/7« – mobil? Heute vielleicht noch nicht, aber morgen. Und wer künftig online sein will, egal wo und mit welchem Endgerät, möchte maximal einen Startknopf drücken – den Rest besorgt die Cloud. Die Datenwolke, in der nicht nur das Betriebssystem, sondern alle persönlichen Daten, Programme, Bilder und digitalen Bücher sicher gespeichert sind. So sieht die Strategie des Internetkonzerns Google aus, der sich zum Rundumversorger entwickelt und mit seinem Google eBookstore nun auch unter die Buchhändler gegangen ist. Da Google die meistgenutzte Suchmaschine betreibt, könnte es sich zugleich in einen der wirkungsvollsten Marketing- und Vertriebskanäle für E-Books verwandeln und nicht nur Amazon Konkurrenz machen.

Unbehagen mag Googles Strategie bei E-Book-Kunden auslösen, weil sie das Gefühl beschleicht, nichts »in der Hand« zu haben. Der Download auf einen E-­Reader erzeugt immerhin die Illusion, man habe eine Sachherrschaft über das Erworbene. Im virtuellen Lesezimmer von Google bleibt davon nicht viel übrig. Stattdessen hinterlässt der Cloud-Leser jede Menge Spuren – Daten, die sich zu Käufer- und Nutzerprofilen in ungeahnter Fülle und Genauigkeit verdichten lassen. Google lockt seine Kunden mit der größtmöglichen Convenience – und kann auf Datenmengen zugreifen, die jedem Datenschützer Albträume verursachen dürften. Die Nutzerdaten sind letztlich das Kapital, mit dem Google seinen Börsenwert steigert.