Sonntagsfrage, die erste

Warum brauchen digitale Bücher ein eigenes Lektorat, Herr Wielpütz?

28. August 2011
von Börsenblatt
Zum 1. September richtet Bastei Lübbe ein Lektorat für digitale Produktionen ein. Die Leitung des dreiköpfigen Teams liegt bei Jan F. Wielpütz, im Kölner Verlag bislang Buchlektor für Spannungsliteratur und unter dem Pseudonym Stefan Bonner selbst erfolgreicher Sachbuchautor („Generation Doof“). Unsere Frage an ihn: Kommen Verlage künftig auch ohne E-Lektorat aus?

„Ob Verlage eigene Lektorate für digitale Bücher brauchen – das muss jedes Unternehmen für sich entscheiden, und die Antwort wird von Fall zu Fall unterschiedlich sein. Die Abteilung Bastei Entertainment setzt sich seit über einem Jahr intensiv mit crossmedialer Verwertung und E-Publishing auseinander. Die Erfahrung in diesem Jahr hat nahegelegt, dass wir neue Wege gehen müssen: Wir brauchen ein Lektorat, das eigene Inhalte kreiert und diese multimedial und zeitgemäß aufbereitet. Das erfordert neue Arbeitsweisen bei der Kreation von Inhalten und bedeutet für uns auch, dass wir mit neuen Partnern zusammenarbeiten, wie App-Entwickler, Filmfirmen oder Animationsfilmer.

Ein E-Book ist bislang lediglich die Übernahme des physischen Inhaltes in eine virtuelle Simulation des Buches auf einem Tablet, Smartphone oder Reader. Die Aufgabe der neuen Content-Schmiede bei Bastei Entertainment wird es sein, Inhalte zu entwickeln, die die Möglichkeiten dieser Geräte auch tatsächlich ausschöpfen. In der digitalen Welt stehen seitenstarke Werke in einer unglaublichen Konkurrenz zu diversen anderen Unterhaltungsangeboten wie Musik, Spiele und Film. Reine Bleiwüsten haben es da schwer. Wir werden knappere, abwechslungsreichere Formate finden müssen, um den Leser in der digitalen Welt bei der Stange zu halten.

Dazu müssen wir unsere Produkte noch stärker auf die Vertriebsplattformen und deren Nutzer ausrichten. Wir produzieren deshalb primär für die digitale Verwertung – physische Produkte wie Buch und Hörbuch treten nach hinten und können eine zweite Verwertungsstufe sein. Trotz allem soll beim E-Book aber weiterhin das Lesen im Mittelpunkt stehen, das ist unser erklärtes Ziel.

Wir arbeiten bei Bastei Entertainment schon seit einiger Zeit an der Entwicklung von neuen digitalen Formaten. Im Oktober werden wir das Ergebnis präsentieren: Der erste digitale Serienroman für das 21. Jahrhundert, der speziell für Tablets und Smartphones entwickelt wurde. In ihm werden bisher getrennte Medien verschmelzen: Text, Film, Spiel, Animation, Fotografie und Audio. Wir veröffentlichen den Serienroman in vielfältigen Produktformen, um das gesamte Spektrum der digitalen Leser zu erreichen.

Dieses Projekt ist bei uns im Verlag in einem abteilungsübergreifenden Team entstanden und für unser digitales Lektorat der Wegweiser in die Zukunft: Wir haben das inhaltliche Konzept des Serienromans selbst entwickelt und gemeinsam mit einem Autor umgesetzt. Diese Strategie werden wir weiter verfolgen.

Durch solche Eigenproduktionen wollen wir auch das Rechteproblem lösen, das im digitalen Segment oft besteht. Es gibt zwar interessante Stoffe für eine digitale Vermarktung, aber oft liegen nur die Print- und vielleicht noch die Hörbuchrechte beim Verlag. Wir streben bei Bastei Entertainment aber eine 360-Grad-Verwertung an. Der Verlag muss in der Lage sein, die gesamte Verwertungskette auszuschöpfen, vom E-Book bis hin zu Film und Computerspiel.

Dennoch werden wir im digitalen Lektorat nicht nur Eigenproduktionen entwickeln. Wir werden auch interessante Projekte einkaufen.“