Buchmarkt 2025

Hinter tausend Stäben keine Welt

8. September 2011
von Börsenblatt
Eine kritische Schlussbetrachtung zu den 55 Zukunftsthesen. Wichtige Aspekte blieben außen vor, meint Wallstein-Verleger Thedel von Wallmoden.

Die 55 Thesen, immerhin sind es keine 95, hinterlassen einen ambivalenten Eindruck. Die Verlage und der Sortimentsbuchhandel, der Zwischenbuchhandel und der Verband werden in vielen Teilaspekten beleuchtet. Diese Aspekte stehen jedoch nur in einem selbstreferenziellen Bezug zueinander, ganz so, als gäbe es hinter diesen »tausend Stäben keine Welt«.

Aber wo bleibt bei dieser Betrachtung der Kunde, der Markt? Wir müssen uns doch fragen: Wer ist künftig unser Kunde? Welche Inhalte werden nachgefragt? Welche Inhalte werden in Zukunft entkoppelt vom Medium Buch genutzt? Welche Inhalte werden noch in gedruckter Form nachgefragt? Wie entwickelt sich die Altersstruktur, die Sozialstruktur, die quantitative und qualitative Lesefähigkeit der Kunden in den nächsten Jahren? Welchen Anteil am Warenkorb wird nicht nur der Medienkonsum, sondern speziell die Content-Nachfrage einnehmen? Wie sieht der künftige Medienkonsum aus? Sind es mehr Zielkäufe oder sind es Spontankäufe? Welche Anforderungen stellt der Kunde an die Aktualisierung der Inhalte?

Ich bin davon überzeugt, dass ein Sortimentsbuchhandel Zukunft hat, der sich durch Beratungskompetenz und hohen kundenindividuellen Service auszeichnet. Ein Sortiment, das die Wünsche des Kunden ins Zentrum rückt, erzeugt positive Kundenbindung. Ein Sortimentsbuchhandel, der seine Kunden kennt und in ihrem Konsumverhalten ebenso zufriedenstellen wie auch lenken kann, hat eine gute Perspektive.
Für die Verlage kommt es künftig mehr darauf an, zu differenzieren, ob der Kunde Leser oder Browser ist. Die unterschiedlichen Rezeptionsmöglichkeiten sagen etwas über den Medienkonsum aus. Komplexe Inhalte werden auch künftig mehr im Print gelesen als elektronisch.

Die Kognitionspsychologie geht davon aus, dass das verstehende Lesen mehr zum Printmedium als zum elektronischen Medium neigt. Gleichzeitig steigt aber der Bedarf an Content, der nur gesichtet werden muss. Es ist daher insgesamt mit einem steigenden Medienkonsum zu rechnen. Es fragt sich nur, ob die Konsumenten von E-Content auch dafür bezahlen? Verlage und Sortiment werden also kaum erwarten können, dass sinkende Nachfrage im Printbereich durch Nachfrage nach E-Content kompensiert wird. Entsprechend müssen die Verlage ihre Geschäftsmodelle dahin überprüfen, welche Rezeptionsform in ihrem Markt und bei ihrem Zielpublikum überwiegt. Darauf muss das Angebot, die Preisfindung und die mediale Präsentation abgestimmt werden. Neben der inhaltlichen wird die Qualität von Ausstattung und Gestaltung gedruckter Bücher noch an Bedeutung gewinnen.

Mit Blick auf die Anliegen der Branche wachsen die Anforderungen an den Verband. Die Preisbindung, die verminderte Mehrwertsteuer, das Urheberrecht – für diese Themen muss politische Lobbyarbeit geleistet werden. Branchenintern wird es immer wichtiger, die gesetzlich festgelegte Konditionenabstufung auch wirksam durchzusetzen und den Asymmetrien der Handels­situation nicht weiteren Vorschub zu leisten.
Zur Bewältigung dieser Aufgaben ist es angesichts sinkender Mitglieder- und Beitragszahlen nötig, den Verband in jeder Hinsicht zu verschlanken und zu professionalisieren. Die Aufgaben von Vorsteher und Geschäftsführer sollten gebündelt und von einer Person hauptamtlich wahrgenommen werden.