Veranstaltungen

Die Langsamkeit des "Speeds"

6. Juli 2015
von Börsenblatt
Ein besonderer Leseevent lockte am vergangenen Freitag nach Völksen bei Hannover: Im Park des Hermannshofs trugen sechs Nachwuchsautoren in einem "Literarischen Speed-Dating" ihre Texte vor. Abschluss eines mehrtägigen Festivals, das Verleger Dietrich zu Klampen und Eckart Liss (Hermannshof) organisiert hatten.

Wenn sechs Mittdreißiger abends in einem Park an unterschiedlichen Orten sitzen, kein Grill in der Nähe ist – dafür aber sechs Bücher und jede Menge Zuhörer – dann handelt es sich um ein literarisches Speed-Dating. Anders als bei den schnellen Flirts auf engem Raum, bei denen oberflächlich Fakten aus den Leben des Gegenübers ausgetauscht werden, geht es hier beschaulich, keineswegs hektisch oder inhaltslos zu. Die Parkanlage des Hermannshofs in Völksen bei Hannover war am Freitag Ort eines besonderen Leseevents. Es war der Höhepunkt eines viertägigen Festivals rund um die Literatur, das Buch-Verleger Dietrich zu Klampen und Eckhart Liss, künstlerischer Leiter der Kultureinrichtung Hermannshof, auf die Beine gestellt haben. Das Land Niedersachsen gab das nötige Geld, um junge Autoren auf das Land zu holen.

Die Nachwuchsschriftsteller haben am Freitagabend bereits drei Tage auf dem Hermannshof verbracht und machen einen wahrlich glücklichen Eindruck. "Es ist grandios hier zu sein", sagt Kolja Mensing während einer Lesepause. Er trägt vor dem alten Teehaus Passagen aus seinem Buch vor, an seiner Seite ist die Autorin Rabea Edel. Die Vögel zwitschern. Applaus von den anderen Vorlesestätten dringt herüber. Eigentlich war geplant, in dem kleinen gläsernen Raum des Teehauses  zu sein, doch die Zuhörer möchten draußen sitzen. Spontan geht es zu. Rigide Strukturen gibt es auf dem Hermannshof nicht.

Auch das Wetter macht an diesem Abend, was es möchte. Sehr zur Freude der Veranstalter. Vorhergesagt ist pünktlich für 18.30 Uhr – Beginn der Veranstaltung  – ein furchteinflößendes Gewitter mit heftigem Regen. Stattdessen wärmt die Abendsonne und verströmt ein unglaublich goldenes Licht. Die Wiesen duften. Die ersten Kirschen an den Bäumen leuchten und einige Besucher greifen nach den Früchten. Diese Idylle haben die Autoren in diesen Tagen lieben gelernt. Die Abwechslung zum Alltag ist ihnen sehr willkommen. "Es ist ja nicht so, dass wir unserem Leben den ganzen Tag am Schreibtisch sitzen und Bücher schreiben und zwischendurch einen Kaffee trinken", sagt Kolja Mensing. Verpflichtungen als Eltern und in anderen Berufen kämen hinzu. Die Tage auf dem Hermannshof könne man trotz der Ruhe in diesem Park nicht als Urlaub titulieren – zu intensiv war der Input durch Workshops in den Tagen zuvor.

Zwischen Bäumen und Sträuchern, gleich an einem Abhang konzentrieren sich die Zuhörer auf die Zeilen von Franziska Gerstenberg und Ulla Lenze. "An den Abgrund passt der Inhalt meines Buchs ziemlich gut", stimmt Lenze auf die Lesung ein. Eine Viertelstunde haben die Autoren Zeit, um ihr Buch vorzustellen. "Die thematische Mischung ist Wahnsinn", sagt ein Besucher als er den Lesungsort wechselt. Gemächlich schlendert er zur nächsten Station. Bei der einen Autorin habe er sich auf erotische Szenen eingelassen, in dem anderen Buch gehe es um den frühen Tod eines Vaters. Die dritte Station des Mannes aus Springe ist das "grüne Haus". Immer noch scheint die Sonne und die Autoren, Organisatoren und Besucher erfreuen sich daran.  

Am "grünen Haus" warten die Autoren Jan Böttcher und Katharina Born. Auf der Terrasse lesen sie Zeile um Zeile. In dem alten Holzhaus wohnt übrigens Eckhart Liss im und auch die sechs Autoren sind während der Literaturtage dort untergebracht und werden vom Hausherren persönlich bekocht und versorgt. "So engagierte Veranstalter sind mir selten begegnet", sagt Kolja Mensing beeindruckt.

Auch die niedersächsische Ministerin für Wissenschaft und Kultur, Johanna Wanka, ist da. Sie ist von den Autoren angetan und von den Pflanzen beeindruckt. Bei den hochgewachsenen Nadelbäumen muss sie den Rat von Eckhart Liss einholen. Diese Art sei ihr unbekannt. "Das sind Thujen. Sie sind so groß, weil sie bereits seit 1920 dort wachsen", klärt er auf.

Wie hungrig Literatur an der frischen Luft macht, zeigt sich am Buffet. Innerhalb weniger Minuten ist nichts mehr da. Als sich der Park leert, spielt Liss für den harten Kern noch einen Blues auf der Flöte. Nur ganz kurz ohne Zugabe. Passend zum Abend –  ein echtes "Speed-Concert".

Jennifer Minke-Beil