Aktuelle Studie der Stiftung Lesen

Eltern sehen E-Medien als Ergänzung

23. Juli 2015
von Börsenblatt
Heute Vormittag haben in Berlin „Die Zeit“, Stiftung Lesen und Deutsche Bahn ihre repräsentative Studie „Digitale Angebote – neue Anreize für das Vorlesen?“ vorgestellt. Danach sind für fast 90 Prozent von 500 befragten Eltern Bilder- und Kinderbuch-Apps eine „tolle Ergänzung“, können aber nicht das gedruckte Buch ersetzen. Jede siebte dieser Familien nutzt bislang situativ Bilder- und Kinderbuch-Apps, 81 Prozent haben mindestens ein Smartphone im Haushalt, 25 Prozent ein Tablet.
Um den Einfluss digitaler Medien wie Tablets, Smartphones oder E-Reader auf das Vorleseverhalten in Familien zu untersuchen, wurden für die Studie 250 Mütter und 250 Väter mit mindestens einem Kind im Alter von zwei bis acht Jahren befragt. Ein weiteres Ergebnis: Elektronische Medien haben der Untersuchung zufolge das Potenzial, bildungsferne Schichten mit Vorleseangeboten zu erreichen. Und Väter, die bisher deutlich seltener vorlesen als Mütter, könnten über die neuen Angebote motiviert werden.

 

"Die Studie birgt überraschende Ergebnisse über die Akzeptanz und den Einsatz digitaler Lesemedien", meinte Simone C. Ehmig, Leiterin des Instituts für Lese- und Medienforschung der Stiftung Lesen. Digitale Vorleseangebote böten neue Möglichkeiten, Familien zu erreichen, bei denen das Lesen und Vorlesen einen geringeren Stellenwert habe. In den befragten Familien mit formal niedriger Bildung sind laut Studie Smartphones und Tablets mit 74 und 27 Prozent ebenso verbreitet wie in den befragten Familien mit formal hoher Bildung (81 und 26 Prozent). Jede dritte Familie mit Tablet im Haushalt nutzt Bilder- und Kinderbuch-Apps. Vor allem aber werden die Apps situativ genutzt: für unterwegs und zwischendurch. Zum Kuscheln oder beim Einschlafritual werden gedruckte Bücher bevorzugt. Die junge Elterngeneration integriere die neuen Technologien ganz selbstverständlich in den Alltag mit ihren Kindern, erläuterte Rüdiger Grube, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Bahn AG. Die Vorlesestudie zeigt zudem, dass Väter, die bereits mit einem elektronischen Gerät und aus Büchern vorgelesen haben, etwa doppelt so häufig dem digitalen Angebot den Vorzug geben (40 Prozent gegenüber 23 Prozent). Bei den Müttern ist es umgekehrt (20 zu 45 Prozent). "Elektronische Medien können helfen, das Vorlesedefizit von Vätern abzubauen, auch wenn diese Zahlen bedauerlicherweise Klischees bestätigen", erklärt Moritz Müller-Wirth, stellvertretender Chefredakteur der „Zeit“. "Denn jeder fünfte Vater, der selten oder nie aus Büchern vorliest, ist für das Vorlesen mit Apps offen." 73 Prozent der Kinder mögen bei den Apps die Animationen, Geräusche, Musik und integrierten Spiele. 67 Prozent der Eltern sehen bei den Apps  als Pluspunkt, dass ihr Kind die Apps auch alleine anschauen kann.

Rund die Hälfte der befragten Eltern, die noch keine Apps zum Vorlesen nutzen, äußerte sich jedoch zurückhaltend im Hinblick auf eine künftige Nutzung. Zentraler Grund ist die mangelnde Erfahrung mit digitalen Angeboten. Denn Eltern, die mit ihren Kindern bereits Apps angeschaut haben, greifen öfter darauf zurück. "Wir sehen, dass Eltern Orientierung und Beratung brauchen zur Einschätzung der Qualität und für die Nutzung von Apps", folgerte Jörg F. Maas, Hauptgeschäftsführer der Stiftung Lesen. "Das Lesen mit digitalen Medien und die Medienkompetenz müssen in der Leseförderung verstärkt in den Mittelpunkt gerückt werden."