"Mist! Ich hab' meinen Busen verloren!"

Die Publikumstage auf der Frankfurter Buchmesse geben immer wieder Einblicke ins Innenleben der Leser, können aber auch manchmal gefährlich sein. Etwa wenn man auf Rucksackträger trifft, deren Tornister vom Umfang her für einen Monat in der Wildnis zu reichen scheinen. Im Messedschungel bahnen sie sich damit ebenso unbekümmert wie unbeirrt ihren Weg ("Darf ich mal eben durch?"), fegen achtlos Bücher von den Regalen ("Ja, nach hinten seh' ich ja nix") und knocken mit einer raschen Kehrtwende auch schon mal andere Messebesucher fast zu Boden ("Tschuldigung!"). Als einer der Rucksackträger den Reißverschluss aufgezippt hat, offenbaren sich Bücherberge ("Ich nehm nur mit, was kostenlos zu kriegen ist") und die dazugehörende Grundeinstellung: "Da hab' ich die 17 Euro Eintritt mehr als raus".

Früh übt sich dagegen, was ein ausgewachsener  Jäger und Sammler werden will: "Wir sammeln ganz, ganz viele Flyer", erklärt die Mädchengruppe, "die kleben wir alle in ein neues Album, so als Erinnerung an diese Messe. Und jetzt brauchen wir eine Tüte. Wo gibt's denn hier Tüten?"

Andere sind auf der Suche nach Gewinnen. "Wenn's da nix zu gewinnen gibt, will ich nicht rein", meint ein Mädchen vor Kids Bubble. "Was möchtest Du denn gewinnen?", fragt die Mama. "Können notfalls auch Bücher sein", gibt das Kind offen Auskunft.

Ein bisschen älter sind die Mädchen, die in Halle 3.0 in Richtung Rolltreppe unterwegs sind. "Mist! Ich hab' meinen Busen verloren!", ruft eine der jungen Damen, was bei den Vorbeilaufenden zu sichtlichen Irritationen führt. "Dann gehen wir noch mal zurück", erklärt eine ihrer Begleiterinnen, "wann war er denn noch da?" Schon wenige Meter am Oetinger-Stand ist das gute Stück gefunden: Es entpuppt sich als voluminöse BH-Füllmasse und gehört zur Ausstattung der Manga-Mädchen, die sich noch nicht umgezogen und alle Kostüme noch in diversen Tüten hatten.

Zu Irritationen führte auch eine weißhaarige Dame. "Macht doch mal langsam, Ihr rennt ja noch die alte Frau um, die kann doch nicht so schnell!", ermahnte ein Vater seine beiden Jungs vergeblich, da haben sie die Dame schon angerempelt. "Entschuldigen Sie bitte vielmals, ich..." - weiter kam er nicht, denn als sich die Dame umdrehte und "Macht nix!", sagte, blieb ihm der Mund offen stehen: Sie entpuppte sie sich Manga-Mädchen mit weißgefärbten Haaren, das sich noch nicht umgezogen hatte und im braunen Schlabber-Mantel steckte.

Auf der Rolltreppe dann zwei Jungs und ein Mädchen mit Schokoeis im Waffelhörnchen und der Blick der besorgten Mutter, die ruft: "Jan! Du tropfst! Du musst schneller schlecken! Und Du auch Tim! Dir läuft ja das ganze Eis auf der einen Seite runter!" Worauf der eine bedächtig nickend und schleckend entgegnet: "Ja, das fand die Frau eben an dem einen Bücherstand auch nicht lustig."

Beim Gastlandauftritt im Forum erhofft sich dann eine Gruppe von Studentinnen Aufklärung über das Temperament der Brasilianer.  "Die sollen ja sehr heißblütig sein", gibt eine bereitwillig Auskunft, was die Frage nach sich zieht: "Ja, so eher jähzornig oder eher leidenschaftlich?" "Nee, leidenschaftlich halt, aber auch irgendwie locker so, also ich hab gelesen, so in Sachen Karriere wär' das denen alles nicht so wichtig, aber in der Liebe wär alles ganz wichtig, da stecken die ganz viel Energie rein." Kurze Pause, dann die Frage: "Sind hier Brasilianer??!", gefolgt vom eifrigen Recken von fünf Köpfen und dem Sondieren des Forum-Bereichs. "Hier sind lauter Texte zum Abreißen und Mitnehmen", entdeckt eine von ihnen, und "Guck mal, hier schreibt einer 'Du schreist 24 Stunden lang und versinkst dann im Glück' über einen Kuss", "Reiß' das Blatt ab und nimm's mit" und schon sind die fünf fleißig am Einsammeln von Texten: "Siehste - von Literatur kannste immer was lernen."