1. Trendtag Publishing in München

Wettbewerb der Ökosysteme

20. Juli 2015
von Börsenblatt
Zukunftstrends zwingen Buch- und Zeitschriftenbranche, ihr Geschäft mit Inhalten ständig neu zu überdenken. Der 1. Trendtag Publishing der Akademie des Deutschen Buchhandels in München – anlässlich des 20-jährigen Bestehens – erteilte dazu eine Reihe von Expertenlektionen.

Den Auftakt machte Peter Wippermann vom Trendbüro, der sich in seinem Vortrag mit neuen Businessmodellen der Verlage vor dem Hintergrund von Social Media und Interaktion im Netz beschäftigte. Die Verbreitung digitaler Inhalte spiele eine wachsende Rolle und werde zudem immer einfacher und kostengünstiger. Auf die Buchbranche hat dies gravierende Auswirkungen: Sie braucht erheblich mehr Kapazitäten im IT-Bereich und muss sich über Branchengrenzen hinaus dem Wettbewerb aller Player im Netz stellen.

Frank Sambeth, CEO von Random House Deutschland, warf in seinem Vortrag einen Blick in die Zukunft der Publikumsverlage. Neben dem Vormarsch des E-Books spielt vor allem der Trend zum Online-Buchhandel eine zentrale Rolle. In den USA werden bereits 42 Prozent aller gedruckten und digitalen Bücher im Netz verkauft, und auch in Deutschland wird dieser Anteil wachsen. Gleichzeitig werden die Flächen, auf denen Bücher im Buchhandel präsentiert und verkauft werden, immer kleiner. "Bücher haben weniger Bühne", sagt Sambeth. Die Kardinalfrage für die Verlage sei daher, wie sie ihre Leser erreichen. Die zweite Frage, wie die potenziellen Käufer die Bücher finden, die sie interesseren. Es geht also um "Reach" und "Discoverability".

 

Im E-Book-Geschäft sei der Wettbewerb der Ökosysteme wichtiger als die Gerätefrage. Letztlich geht es darum, wer der "Sachwalter meiner digitalen Daten, wer der Manager meines digitalen Lebens" ist, so Sambeth. Ebenso wichtig wie die Datenhoheit ist die Steuerung der sozialen Aktivitäten. Social-Reading-Funktionen wie Goodreads auf dem Kindle, Kobo Reading Life oder Konzepte wie Sobooks deuten in diese Richtung. Bei der Entwicklung der Formate beobachtet Sambeth eine fast 100-prozentige Fixierung der Kunden auf klassische Bücher ohne Zusatzmedien. Nur ein Prozent der E-Book-Verkäufe geht auf enhanced E-Books. Ein Problem im digitalen Buchgeschäft ist der Preisverfall, wie beispielsweise ein Blick auf die verkauften Toptitel von Amazon in Großbritannien zeigt. Die Preisbindung in Deutschland schütze vor einer solchen Entwicklung, so Sambeth. Bei der Distribution digitaler Inhalte werden künftig andere Modelle wichtiger. Auf den Download von Dateien auf den eigenen Rechner folgen Abo-Verträge und Streamingdienste, für die man eine Flatrate zahlt.

Fachmedienhäuser wie Vogel Business Media nutzen die digitale Transformation, um neue Potenziale zu schaffen - bei mobilen Anwendungen ebenso wie in sozialen Netzwerken und bei der Analyse großer Datenmengen.

Stefan Rühling, Vorsitzender der Geschäftsführung von Vogel Business Media, stellte eine Reihe von Geschäftsmodellen vor, mit denen seine Verlagsgruppe arbeitet. Eines ist der "Contributed Journalism", der Expertenbeiträge von außen in das redaktionelle Angebot einbindet – im großen Stil bei "Forbes.com" zu besichtigen. Die Online-Artikel werden auf der Basis der tatsächlichen Nutzungen honoriert; Leser, die zur Website zurückkehren, erhöhen den Vergütungsfaktor um ein Vielfaches. Ein anderes Beispiel ist der Datenjournalismus: Hier werden offen zugängliche Datenquellen von Personen, Unternehmen und Institutionen aufbereitet und in Anwendungen verwandelt, zum Beispiel in einen Verspätungsatlas der Deutschen Bahn, in dem in Google Maps Verspätungsereignisse, die auf Meldungen der Bahn basieren, graphisch und zahlenmäßig veranschaulicht werden. Wenn man solche Dienste anbietet, so Rühling, benötigt man allerdings nicht mehr nur Redakteure, sondern Analysten.

Weitere Vorträge und Round-Table-Sessions beschäftigten sich unter anderem damit, wie sich die technische Seite entwickeln wird (am Beispiel Microsoft) und wiue Unternehmen die Spannung zwischen Tradition und Innovation halten können.