Autor und Gewinner Marcus Imbsweiler über den 13. Bücher-Lauf

Schnell ist relativ

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Der Autor Marcus Imbsweiler hat auch in diesem Jahr den Bücher-Lauf rund um den Frankfurter Lohrberg gewonnen. In seinem Bericht würdigt er nicht nur die Bestplatzierten, sondern lässt auch die Geschichte des Bücher-Laufs Revue passieren – dessen Zukunft nun ungewiss ist.

Den Bücher-Lauf gibt es seit 2002, die diesjährige Auflage war also die dreizehnte. Und auch wenn der Aberglaube unter Sportlern angeblich weit verbreitet ist, boten derlei Zahlenspiele zunächst keinen Anlass zur Sorge. Im Gegenteil, auch bei seiner 13. Auflage war der Bücher-Lauf wieder ein perfekt organisiertes Läuferfest vor beeindruckender Kulisse. Trotzdem wird die Veranstaltung des Jahres 2014 als diejenige im Gedächtnis bleiben, an deren Ende die Frage nach der Zukunft des Bücher-Laufs gestellt wurde – Antwort offen.

Aber dazu später. Die Idee, einen Laufwettbewerb für die deutsche Buchbranche ins Leben zu rufen, wurde in Stuttgart geboren. Genauer: im dort ansässigen Fachverlag Schäffer-Poeschel. Um Ulla Chwalisz, die Leiterin für Elektronisches Publizieren, und Geschäftsführer Michael Justus sammelte sich eine schlagkräftige Truppe, die den sportlichen Branchentreff im Stil und mit dem Anspruch eines professionell geführten Volkslaufs auf die Beine stellte. Zunächst als einmalige Sache anlässlich des Verlagsjubiläums, dann in schöner Regelmäßigkeit, insgesamt zehn Jahre lang.

Mit dem beruflichen Wechsel der beiden Hauptakteure zu den Fischer-Verlagen zog auch der Bücher-Lauf nach Frankfurt. Die Wahl des Mediacampus, einer Ausbildungsstätte für Buchhändler, als Veranstaltungszentrum bedeutete einen weiteren Schritt Richtung Professionalisierung, und mit dem Lohrberg im Frankfurter Nordosten fand sich ein Terrain, das dem hügeligen Stuttgarter Vorbild durchaus entsprach.

Schnell allerdings wurde klar, dass sich am Main weniger Buch-Menschen zum Laufen animieren lassen als am Neckar. Mit den dominierenden Buchgroßhändlern Koch, Neff & Volkmar bzw. Umbreit sowie mit etlichen Fachverlagen bildet Stuttgart ein echtes Schwergewicht der Branche. Anders Frankfurt, dem trotz Buchmesse und überregionalen Tageszeitungen verlagstechnisch die "manpower" fehlt. Hinzu kam, dass Chwalisz und Justus am neuen Standort auf die Hilfe und das Netzwerk ihres eingespielten Schäffer-Poeschel-Teams verzichten mussten.

All dies mag den Rückgang der Teilnehmerzahlen von einigen hundert aus Stuttgarter Zeiten auf aktuell nur noch 65 erklären. 53 gingen im knapp 9 km langen Hauptlauf an den Start, 12 bewältigten die gut 3 km des Rundenlaufs, der sich an Laufeinsteiger richtet. Gäbe es eine Wertung in Sachen Diskrepanz zwischen Teilnehmerzahlen und Veranstalterleistung, nähme der Bücher-Lauf wohl einen einsamen Spitzenplatz ein.

So führt die Strecke mitten durch eines der beliebtesten Ausflugsziele der Frankfurter, mit traumhafter Aussicht auf die Skyline der Mainmetropole. Es gibt einen kostenlosen Fotodienst, Veranstaltungsplakate für alle sowie sportlergerechte Preise, etwa ein persönliches Lauftraining für das siegreiche Frauenteam. Legendär sind die Wanderpokale für die Gesamtsieger (Männer, Frauen, Teams): Steine in Buchform, mit den eingravierten Namen der Schnellsten. Und das bei einer Startgebühr von 0,- Euro.

Einzige Voraussetzung für die Teilnahme ist eine Tätigkeit innerhalb der Buchbranche. Die Ausschreibung richtet sich an "alle, die vom Erstellen oder Verbreiten von Büchern leben", wie es heißt. Und so besteht das Läuferfeld des Bücher-Laufs aus Verlagsmitarbeitern, Buchhändlern, Zwischenhändlern, Lektoren, Übersetzern, Autoren, Bibliothekaren. Nicht zu vergessen das jeweilige"-innen"; tatsächlich beträgt der Frauenanteil der Veranstaltung um die 50 Prozent. Auch Azubis sind mit von der Partie, lassen aber, wie ein flüchtiger Blick auf die Ergebnisliste lehrt, ihren älteren Mitstreitern höflich den Vortritt. An der Spitze dominieren die 40- bis 50-Jährigen – kein seltenes Phänomen, das hier allerdings noch auffälliger zu Tage tritt als bei "normalen" Volksläufen.

Schnellster und damit Gesamtsieger war wie in den beiden Vorjahren Marcus Imbsweiler, Autor des Gmeiner-Verlags, der 31:09 min. benötigte. In krassem Widerspruch zum Verlags-Motto "Wir machen's spannend" war die Spannung beim Rennen schon nach der ersten von drei Lohrberg-Runden raus. Platz 2 belegte erneut Alexander Demandt von der Universitätsbibliothek Frankfurt (34:49). Der 44-Jährige aus Bad Homburg, sonst auf längeren Strecken zuhause (Marathon-Bestzeit: 2:57 h), war mit Familie angereist; Sohn Frederik (9) und Tochter Marieke (11) nahmen am Rundenlauf teil. Und als hätte man sich abgesprochen, behielt auch der Dritte, Jens Kliemke (Decius Running Books, 38:56), seine Vorjahresplatzierung bei. Gunnar Holstein vom Deutschen Fachverlag, eine Minute schneller als 2013, saß ihm allerdings diesmal im Nacken.

Auch bei den Damen setzte sich eine Wiederholungstäterin durch. Angelika Rauschs Erfolge liegen allerdings ein paar Jährchen zurück, 2007 und 2011 nämlich, als der Bücher-Lauf noch ein Stuttgarter war. Dort, beim Großhändler KNV nämlich, arbeitet die 55-Jährige auch. Ihre Zeit in Frankfurt: 43:31 min.; nächstes Ziel ist der Berlin-Marathon in zwei Wochen.

Nur zwei Sekunden dahinter erreichte Margit Eickemeyer von Sack Fachmedien das Ziel, und noch einmal 19 Sekunden später war der nächste Podiumsplatz für die Decius-Leute unter Dach und Fach: Christina Leo finishte in 43:52 min. Da blieb für die Vorjahressiegerin Christiane Wolf (KNV/KNO) trainingsbedingt nur Platz 4.

Zusammen mit Rausch sowie Daniela Ammer konnte sich Wolf allerdings über Platz 1 in der Mannschaftswertung freuen (2:20:40 h) – sechs Minuten vor dem Team der Lektorinnen Petra Seitzmayer, Martina Kunze und Julia Hanauer sowie den Azubis vom mediacampus. Schneller als diese reinen Damenteams war nur das Mixed-Trio von DECIUS Running Books mit Jens Kliemke, Volker Petri und Christina Leo (2:06:17 h).

Eine besondere Erwähnung verdienen die vielen originell gestalteten Lauftrikots, an deren Slogans sich ablesen ließ, dass ihre Träger den Umgang mit Sprache gewohnt sind. Sehr hübsch die Auslegung der Abkürzung VFLL als "Vorsicht, frei laufende Lektorin!" Der Springer-Verlag warb mit dem Konterfei Albert Einsteins und der Devise: "Schnell ist relativ." Und was verbarg sich hinter dem kryptischen Satz "Vor Ihnen läuft ein Sack" auf dem Rückenteil etlicher Shirts? Ganz einfach, hier waren Mitarbeiter der Mediengruppe Sack aus Köln unterwegs.

Dass überhaupt eine größere Gruppe aus Köln anreist, zeigt, welche Attraktivität der Bücher-Lauf für einzelne Unternehmen hat. Zu denen, die ihm die Treue halten, gehört auch die Fachbuchhandlung Decius mit Stammsitz in Hannover. Und auf eine Abordnung aus Stuttgart ist ohnehin Verlass. Ansonsten stehen Arbeitgeber aus der Rhein-Main-Region im Vordergrund: der Deutsche Fachverlag, der Börsenverein, die Deutsche Nationalbibliothek, der Peter Meyer Verlag.

Bei der Siegerehrung verkündeten Ulla Chwalisz und Michael Justus ihren Rückzug aus der Organisation des Bücher-Laufs. 13 Jahre lang haben sie viel Zeit, Energie und Herzblut in die Veranstaltung gesteckt und sehen sich nun mit gestiegenen Anforderungen in ihrem Frankfurter Berufsumfeld konfrontiert. Eine Ankündigung, die für großen Applaus und Danksagungen sorgte, aber eben auch für zweifelnde Blicke, wie es um die Zukunft des Laufs bestellt sei.

Nun stehen nach dem Rückzug der beiden Hauptverantwortlichen mit dem mediacampus und dem Börsenverein nach wie vor wichtige Veranstaltungspartner zur Verfügung. Auch das Netzwerk aus Förderern und Sponsoren, die in der Regel der Buchbranche entstammen, hat sich etabliert. Am Ende aber hängt es doch an einigen wenigen Personen, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Und dann stellt sich immer noch die Frage, wie wieder mehr Teilnehmer angelockt werden könnten.

Ideen hierzu gebe es, so Chwalisz und Justus unisono, ansonsten seien Anregungen jederzeit herzlich willkommen. Auch stünden sie weiterhin mit Rat und Erfahrung zur Verfügung, nur das Tagesgeschäft müsse von anderen übernommen werden. Bleibt zu hoffen, dass sich Nachfolger, die ebenso lauf- wie lesebegeistert sind, finden lassen. Denn was wäre ein Laufjahr ohne Bücher-Lauf? Ein Verlust, ganz sicher.

Marcus Imbsweilers Bericht ist (mit zahlreichen Fotos) auch auf der Website www.laufreport.de erschienen.