Selfpublishing im Jugendbuch

"Autoren sind keine Marktbediener"

16. Juli 2015
von Börsenblatt
Die digitale Welt macht's möglich: Sollen Jugendbuchautoren heute lieber selber veröffentlichen als sich von einem Verlag unter Vertrag nehmen zu lassen? Welche Vor- und Nachteile gibt es? Eine Diskussionsrunde mit Verlegern, Autoren und einer Vertreterin von Epubli lotete im Kinderbuchzentrum auf der Buchmesse unter der Moderation von Börsenblatt-Chefredakteur Torsten Casimir Chancen und Gefahren aus.

Hybrid-Autor Karl Olsberg, der sowohl bei Verlagen wie Thienemann publiziert als auch seine Minecraft-Romane selbst veröffentlicht hat, zeigte die Unterschiede auf: "Ich möchte nicht all das machen, was ein Verlag macht, irgendwann braucht man auch Zeit zum Schreiben − und ich brauche durchaus auch einen Sparringspartner. Ein guter Lektor ist bei der Entstehung eines Romans nun mal konstrukiver als meine Frau, die bei Nichtgefallen sagt: Muss ich das zu Ende lesen?" Allerdings gebe es durchaus Fälle, in denen die Selbstveröfffentlichung eindeutig vorzuziehen sei − nämlich wenn es um die Schnelligkeit gehe. "Bis die Verlage abgewogen und überlegt haben, bin ich mit dem Buch schon draußen. Die Reaktionszeit dauert zu lange."

Schriftstellerin Christine Fehér nannte neben den "Umstimmigkeiten, auf die mich die Lektoren im Manuskript hinweisen" noch eine weiteren Vorzug für das professionelle Verlegenlassen: "Der Vorschuss des Verlags ist ja auch nicht gerade unangenehm ... den bekäme ich beim Selfpublishing nicht, ich würde das Risioko alleine tragen."

Epubli-Geschäftsführerin Barbara Thiele sah das naturgemäß anders und führte die Individualität der Erscheinungsweise und den ungebremsten Einfluss des Urhebers ins Feld: "Nicht jeder Stoff passt ja den Verlagen, und es zeigt sich, dass es gute Nachfrage nach Stoffen gibt, von denen Verlage gedacht hatten, da gebe es keinerlei Bedarf seitens der Zielgruppe." Bei Epubli könnten die Autoren selbst entscheiden, wie das Cover aussehen soll, wie die Kapitel eingeteilt sein sollten. Den Einwand des fehlenden Sparringspartners ließ sie nicht gelten: "Ein Lektorat kann man sich ja jederzeit hinzukaufen, darauf muss ja kein Autor verzichten."

Ein völlig anderes Verständnis vom Autor betonte Hanser-Kinderbuch-Verlagsleiter Ulrich Störiko-Blume: "ich sehe den Autor nicht als Marktbediener, sondern als einen eigenständigen Künstler. Ich mag ihn nicht zum Dienstleister degradieren, der in ständigem Austausch dem Publikum entgegenschreibt, auftragsgemäß mehr Morde geschehen und Hosen rutschen lässt." Störiko-Blume sah zudem keinen wirklichen Bedarf für eine ungebremste Titelflut und sah die Verlage in einer vorprüfenden Rolle. "Mit Hinblick auf die Novitätenzahl bereits im etablierten Buchmarkt wird ja schon gestöhnt: Es wird viel zu viel publiziert! Es ist kein Zufall, dass nur ein Promill der unverlangt eingesandten Manuskripte veröffentlicht werden − ich habe nicht den Eindruck, dass es an neuen Themen und noch nie dagewesenem fehlt."

Selfpublishing sei mehr als ein vorübergehendes Phänomen, war die Einschätzung von Anja Kemmerzell, Programmleiterin von Chicken House. "Es wird spannend, wenn die Taschenbücher in fünf Jahren nicht mehr so funktionieren werden wie bislang, da wird Selfpublishing eine andere Rolle spielen. Und die früher oft lebenslängliche Bindung eines Autors an einen Verlag hat sich verändert." Inzwischen sei der Autor eine eigene Marke, meinte Thiele, "und diese Marke kann er selbst aufbauen". Die Verlagsnamen seien bei den Lesern nicht wirklich bekannt, die der Autoren hingegen schon. Zudem könnten die Autoren viel im Eigenmarketing tun, sie wüssten oft sehr gut, wo ihre Leser sitzen und erreichen sie auch über die sozialen Netzwerke − "und wenn ein Buch gut geratet wird, hat es auch Chancen, veröffentlicht zu werden."

Störiko-Blume wies auf die Besonderheiten des Buchbetriebs hin: "Wir machen mit Vertretern auf unsere Bücher aufmerksam, es geht um Inhalte, und wir stehen in einer engen, gewachsenen Beziehung zu den Buchhandlungen. Da geht es um Vertrauen und um Erfahrung. Man kann Buchhandel nicht mit Leuten betreiben, die vorher  Schweinehälften vertickt haben. " Schriftstellerin Christine Fehér wies abschließend auf die Sichtbarkeit der Titel hin: "Das Stöbern in den Buchhandlungen erleichtert ungemein die Entdeckung der Bücher durch die Leser."