Relaunch von Diederichs

"Orientierung durch erzählte Geschichten"

23. Juli 2019
von Nicola Bardola
Nach drei Jahren Pause startet der Diederichs Verlag mit neuen Titeln durch: Statt politischer Sachbücher dominieren jetzt Sinn- und Weisheitsgeschichten.

"Tradition trifft Moderne, lautet unser Slogan", erklärt Sigrid Fortkord, Verlagsleiterin bei Kösel, Diederichs und dem Gütersloher Verlagshaus (Verlagsgruppe Random House). Tradition hat der 1896 von Eugen Diederichs gegründete Verlag reichlich, jeder kennt seine Reihe Märchen der Weltliteratur, die zuletzt erschienenen politischen Sachbücher wollten aber nicht so recht zum Markenkern passen. Nun also der Relaunch: eine kraftvolle Inszenierung der traditionsreichen Marke und das dazu passende Umfeld bei Kösel. Programm, Presse und Vertrieb werden gemeinsam gestemmt: "Auf Sinnthemen und grundsätzliche Fragestellungen des Lebens antworten Kösel-Bücher als klassische Sachbücher – Diederichs hingegen ist für uns die schöne Herausforderung, erzählerischer zu sein und ungewöhnliche Wege zu gehen", erklärt Fortkord. "Es gibt eine große Nachfrage für Orientierung durch erzählte Geschichten als Hilfestellung bei der Sinnsuche."

Im fünf Titel umfassenden Debütprogramm sind unterschiedlichste Stimmen vertreten: ernsthafte, verspielte, lyrische und auch ganz junge. "Bei allen Titeln ziehen wir mindestens eine zweite Ebene ein", erklärt Programmleiterin Karin Stuhldreier. "Wir führen die hergebrachte Offenheit des Verlagsgründers für fremde Welten weiter. Universelle Weisheiten – egal aus welchem Kulturkreis – spielen die dominante Rolle", so Stuhldreier, die im vergangenen August nach fünf Jahren Ullstein (dort verantwortlich für den auf Spiritualität spezialisierten Allegria Verlag) mit der festen Intention des Diederichs-Relaunchs zu Kösel kam.

Unterhaltung mit Mehrwert

"Wir sind in gewisser Hinsicht ein Hybrid: Wir machen fiktionale Geschichten, aber mit Untertiteln, wie sie für Romane ja eigentlich unüblich sind", meint Stuhldreier. Beispiel: Verena Ullmanns Buch "Die Papageieninsel oder Von der Kunst, sich selbst zu finden". Für Stuhldreier zeigen solche Untertitel: "Hier geht es um mehr als nur Unterhaltung. Es gibt auch eine Botschaft." Der Leser habe dadurch einen zusätzlichen Nutzen: "Ich definiere das als 'narrative Lebenshilfe'. Damit ist auch die Klammer zum Lebenshilfe-Verlag Kösel geschlagen", sagt Stuhldreier. Zu den bekannten Beispielen zählt John Streleckys Bestseller "Das Café am Rande der Welt" (dtv); im Englischen bezeichne man diese Form auch als »Coach Literature«, erklärt Stuhldreier. "Durch Erzähltes sich selbst erfahren: Das Narrative hilft, das Emotionale zu transportieren." Das gilt auch für den reich illustrierten Diederichs-Spitzentitel, die magische Fabel "Der Hund, der Wolf und das Geheimnis" des Philosophen Folco Terzani.

Hermann Hesse ist wieder dabei

Einen deutlichen Fingerzeig auf die Ursprünge des Verlags stellt die Neuveröffentlichung von Hermann Hesses Prosadebüt "Eine Stunde hinter Mitternacht" dar, das Eugen Diederichs vor 120 Jahren erstmals publiziert hatte. Dem 22-jährigen Hesse schrieb der Verleger: "Also, wenn ich offen gesagt, wenig Glauben an den geschäftlichen Erfolg des Buches habe, so habe ich doch desto mehr Überzeugung von seinem literarischen Wert." Diederichs hätte sich wohl nicht träumen lassen, dass sein Verlag für diesen Text einmal Lizenzrechte beim Suhrkamp Verlag erwerben würde, den es damals noch nicht gab. "Wir erwarten zwar keinen Bestseller", sagt Fortkord, "aber wir signalisieren damit die Breite im Diederichs-Programm."