Axel von Ernst über Rückschläge für Indies

Absturz ins Unsichtbare

26. September 2019
von Börsenblatt
Beim Branchenmonopoly haben die kleinen Verlage ohnehin schon einen schweren Stand. Jetzt kommen auch noch irre Außerirdische daher, die die unabhängige Buchkultur verspielen – meint Axel von Ernst.

Ja, der Titel zu dieser Kolumne ist vielleicht etwas übertrieben. Aber ich wollte die seltene Gelegenheit nutzen und endlich einmal einen Titel machen, bei dem der eigentliche Inhalt für den Abverkauf völlig egal ist. In Verlagen wie meinem ist es immer umgekehrt, überall sich schrecklich vornehm zurückhaltende Titel, aber dafür eher beachtenswerte Inhalte. Und die alltägliche, manchmal tragikomische Aufgabe vieler unabhängiger Verlage ist es, das feine fast Unsichtbare mit Glanz und Gloria zu umgeben, damit es wahr­genommen wird. Aber das war immer schon so, wir wissen das und wollen das. Eine andere Unsichtbarkeit ist gefährlicher: Wir sind es so gewohnt, für unsere Bücher ein einladendes Umfeld zu schaffen, dass die Opfer und Ängste verborgen bleiben. Dabei wird die Zerreißprobe für uns alle immer anstrengender.

Dass wir beim Branchenmonopoly nur die Badstraße haben, war immer in Ordnung, man muss dann eben teure Felder vermeiden, und ab und zu verirrt sich schon jemand zur Bad­straße und lässt rettendes Geld da. Aber in letzter Zeit ziehen wir dauernd vernichtende Ereigniskarten wie "Gerichtsurteil zu Verwertungsgesellschaften. Zahlen Sie Ihre Einnahmen aus drei Jahren zurück." oder "Geschäftspartnerinsolvenz. Vergessen Sie Ihr Weihnachtsgeschäft.", da sind dann die Gemeinschaftskarten "Remissionen. Gehen Sie nicht über Los." oder "Kulturgut unerwünscht. Sie zahlen mehr Porto." nur noch schwach zu belächeln.

Aber der letzte Schlag hatte weniger mit dem üblichen Monopoly zu tun, sondern erinnerte mich an mein erstes Computerspiel, bei dem ich viele Stunden lang eine Weltraumkolonie errichtet hatte, bis irgendwann aus heiterem Himmel Außer­irdische auftauchten und alles zu Klump schossen. Kein Sinn zu erkennen, keine Verhandlungen möglich. Libri. An sich habe ich ja ein großes Herz für altmodische Spleenigkeit, aber doch eher im Künstlerischen und Privaten; im Geschäftsleben sind Firmen, die es für klug halten, während alle Welt wie wahnsinnig Daten sammelt, Daten zu löschen, beängstigend. Aber auch in Lebensgefahr beschweren wir uns nur höflich mit einem Brief und bleiben kultiviert, das ist ja auch schön und erinnert mich an den eleganten Herrn auf der Titanic, der sich nicht zum Rettungsboot begibt, sondern sich einen Drink bestellt. Allerdings sind wir in diesem Bild natürlich der dämliche Barkeeper, der weiter bedient.

Dabei müssen wir nach draußen, wir müssen zu den Rettungsbooten, wir müssen zeigen, was unsere Nichtexistenz bedeuten würde und dass viele von uns ununterbrochen von Nichtexistenz bedroht sind. Wir brauchen in unserer freundlichen Branche noch mehr Verständnis und Solidarität untereinander, und die Gesellschaft sollte sich mit uns zusammen Sorgen machen um die Dinge, die wir beitragen – wir müssen, um zum Punkt zu kommen, mit unseren Vorteilen und unseren Nöten aus der Unsichtbarkeit gelangen und schließlich eine gute strukturelle Förderung für sensible Verlagsprogramme erreichen, die auf alle in der Buchwelt ausstrahlt und in anderen Ländern bereits aus guten Gründen existiert. Wir feiern uns so sichtbar wie möglich mit der Hotlist und mit den Kurt-Wolff-Preisen, der Verlagspreis des Bundes verteilt wohltuende Tropfen auf einige heiße Steine, die Kulturstaatsminis­terin sei von Herzen gepriesen. Gerettet sind wir aber längst nicht. Wir brauchen wenigstens noch die Turmstraße und müssen regelmäßig über Los kommen dürfen.

Axel von Ernst ist Verleger des Lilienfeld Verlags und Mitglied im Verein der Hotlist.