MARKT UND MACHT: Interview mit Libri-Chef Eckhard Südmersen

Marktanalyse bei Libri

22. Oktober 2019
von Börsenblatt

Barsortimente und Verlagsauslieferungen sehen sich mit steigenden Kosten konfrontiert – und differenzieren ihre Dienstleistungen weiter aus. Libri-Chef Eckhard Südmersen erklärt im Gespräch, wie er die Zukunft des Zwischenbuchhandels sieht.

Die Übernachtlieferung kostet die Barsortimente vor allem auf der letzten Meile viel Geld. Werden trotzdem alle Buchhandlungen weiter über Nacht beliefert oder wird sich das System ausdifferenzieren?
Wir sehen unser Kerngeschäft in der flächendeckenden Versorgung durch den Bücherwagendienst – und zwar über Nacht. Das hält den inhabergeführten Buchhandel wettbewerbsfähig und unterscheidet den deutschen Buchmarkt von vielen anderen in der Welt. Unsere Überzeugung ist, dass das zur Vielfalt des Buchmarkts in Deutschland beiträgt. Vielfalt bei den Buchhandlungen, aber natürlich auch aufseiten der Verlage. Für uns ist es ebenfalls wichtig, solidarisch zu handeln und sämtliche Buchhändler zu den gleichen Kosten zu beliefern, egal ob sie sich in Frankfurt oder Hamburg befinden. Unterschieden wird bei der Menge: Je mehr Kilo Bücher eine Buchhandlung erhält, desto besser ist der Preis je Kilo. Irrsinn ist natürlich, dass manche Buchhandlungen morgens von drei Bücherwagendiensten angefahren werden.

Wenn sich die Dienstleistung für Sie nicht rechnet – wen wollen Sie auf lange Sicht zur Kasse bitten?
Ein gemeinsamer Bücherwagendienst der Barsortimente wäre schon ein Fortschritt, würde aber das Problem nicht vollständig lösen. Wir transportieren auch Verlagsbeischlüsse und tun dies viel zu günstig. Ich sehe an dieser Stelle die Verlage in der Pflicht, die zum Teil "Cherry Picking" betreiben und die Lager der Großbuchhandlungen oder große Buchhandlungen selbst anfahren und den Bücherwagendienst für die unrentablen Strecken einsetzen. In meinen Augen handeln sie an dieser Stelle nicht solidarisch und entziehen uns große Mengen an Büchern, die für uns auskömmlich zu transportieren wären. Man darf sich also nicht wundern, dass das System so nicht mehr funktioniert. Ich denke aber nicht, dass man weitere Kosten auf die Buchhändler abwälzen kann und denke eher in Richtung der Verlage und Verlagsauslieferungen.

Sie beklagen, dass die Marge für die Barsortimente schon lange rückläufig ist.
Dem ist so. Dazu trägt auch die Entwicklung der Bücherpreise bei, die nicht mit den Kostensteigerungen bei Personal und im Transport Schritt hält. Wir werden zwar weiterhin Titel anbieten, die im Ladenpreis unter fünf Euro liegen, um dem Buchhändler den Bezug weiterhin einfach zu ermöglichen, allerdings wird es auf diese Titel einen verminderten Rabatt geben. Auch die von den Verlagen minderrabattierten Titel werden wir neu kalkulieren. Dazu kommt, dass der Transportmarkt in den letzten Jahren eine ganz eigene Entwicklung genommen hat, die sich weiter verschärft. Dies hat auch bei uns zu deutlichen Kostensteigerungen geführt, die wir in Preissteigerungen weitergeben. Die KNV-Insolvenz war eine aufrüttelnde Zäsur und es muss in der gesamten Wertschöpfungskette kostendeckend gearbeitet werden – auch im Zwischenbuchhandel.

Libri hat in den vergangenen Monaten Titel kleiner Verlage ausgelistet und damit heftige Diskussionen um die Sichtbarkeit von Büchern aus kleineren Verlagen ausgelöst. Wie ist die Stimmung jetzt?
Nahezu jede Novität wird zunächst im Libri-Lager in Bad Hersfeld aufgenommen – hier hat sich die Einkaufstrategie nicht geändert. Titel, die sich über einen längeren Zeitraum nicht verkauft haben, machen Platz für relevantere Titel. Das betrifft unverkäufliche Titel aller Verlage – kleiner wie großer. Sofern ein Titel nicht mehr bei Libri geführt wird, erhält er den Meldeschlüssel 17 (führen wir nicht bzw. nicht mehr. Bitte beim Verlag nachfragen). Allerdings machen wir die Erfahrung, dass nicht alle Buchhändler tatsächlich beim Verlag nachfragen. Die kürzlich ausgelisteten, nicht verkauften Titel haben in den vergangenen Jahren gezeigt, dass Listung und Lagerung nicht automatisch für Absatz oder Verkauf sorgen, trotz der Sichtbarkeit, die im Handel gegeben ist. Für die Leser zählen vielmehr die Inhalte – und ganz wichtig – das Marketing der Verlage.

Erscheinen die ausgelisteten Titel zumindest im Libri-White-Label-Shop, den mehr als 1.200 (Libri.Shopline und genialokal) Buchhändler nutzen?
Titel, die nicht im Libri-Katalog sind oder den Meldeschlüssel 17 tragen, tauchen standardmäßig nicht in den Libri-White-Label-Shops auf. Es erscheint der Hinweis "Schade, diesen Artikel konnten wir leider nicht finden". Das heißt nicht, dass es diesen Artikel nicht gibt. Aber diese Art von Shop ist für die Buchhändler die kostengünstigste und einfachste Form eines eigenen Onlineshops: Libri.Shopline bedeutet modernste Technik, geprüfte AGB, Versand, Zahlungsabwicklung und eine persönliche Ansprache durch unseren Kundenservice. Zudem sorgt das Shopline-Content-Team für aktuelle Inhalte. Gegen einen Aufpreis haben die Buchhändler jedoch auch im White-Label-Shop die Möglichkeit, die VLB-Titel ergänzend zum Libri-Katalog zu integrieren. Dabei werden die Titel, die nicht im Libri-Katalog sind, aus dem VLB gezogen und bekommen den Vermerk, dass der Titel vom Buchhändler besorgt wird. Die Buchhändler treffen diese Entscheidung aktiv und ihnen ist der Mehraufwand bewusst.

Wie wollen Sie mit der Reduzierung der Anzahl an Lagertiteln die große Vielfalt am Buchmarkt weiterhin abbilden und erhalten?
Unser Umsatz verteilt sich auf immer mehr Titel und die durchschnittlichen Mengen nehmen ab. Das Titelangebot wird aber weiter wachsen, die Absätze je Titel werden sinken. Die einzige wirtschaftliche und ökologisch sinnvolle Möglichkeit ist die nahezu kostenfreie digitale Lagerung aller Titel und die Just-in-time-Herstellung (Print on Demand), sobald sie nachgefragt werden.

Damit spielen Sie auf Ihr BoD-Angebot an, in das Sie in den kommenden Jahren rund 40 Millionen Euro investieren wollen, einerseits für das PoD-Zentrum in Bad Hersfeld, andererseits in die voll integrierte Logistik. Mit welchem Ziel?
Mit der digitalen Verfügbarkeit von Titeln verbunden mit BoD wollen wir erreichen, dass in den nächsten Jahren rund fünf Millionen Titel über Nacht lieferbar sind. Die digital lagernden Titel stehen dabei allen Buchhändlern zur Verfügung, nicht nur den Libri-Kunden, denn BoD beliefert alle Barsortimente.

Wie stemmen Sie diese Investitionen?
Wir können diese Investitionen mit einer starken Unternehmerfamilie im Rücken tätigen, die an die Zukunft des Buchhandels glaubt.