Librairie Allemande schließt in Paris

"Ich habe pro Jahr 1,5 Tonnen deutsche Bücher ausgepackt"

14. November 2019
von Börsenblatt
Ende Januar hört die Librairie Allemande im Pariser Quartier Latin auf: Inhaberin Iris Mönch-Hahn steigt nach 30 Jahren aus dem Buchhandel aus. Durch Beeinträchtigungen durch Streiks und die Gelbwesten-Bewegung sei vor allem an Samstagen der Umsatz dramatisch zurückgegangen.

"Wir möchten all unsere treuen und neuen Kunden rechtzeitig dahingehend informieren, dass die Buchhandlung definitiv am Freitag 31. Januar 2020 um 20 Uhr für immer schließen wird", schreibt Mönch-Hahn auf der Website sowie der Twitter-Seite ihrer Librairie Allemande. Gegenüber Börsenblatt Online bestätigt sie: "Wir schließen endgültig  Ende Januar – nach insgesamt fünf Jahren". Die Gründe dafür seien verschieden, fährt sie fort, "denn ich schließe nicht nur meine deutsche Buchhandlung in Paris, sondern steige nach 30 Jahren – ich habe im Januar 2020 sozusagen 'Jubiläum' – aus dem Buchhandel aus." Die deutsche Buchhandlung in Paris sei für sie der krönende Abschluss ihrer "ungewöhnlichen und abenteuerlichen Buchhandelskarriere. Es ist ein wunderbarer und sehr befreiender Entschluss, zu dem ich keinen besseren Zeitpunkt hätte wählen können."

Im Januar 2020 sind dann auch genau zwei Jahre, seit denen Mönch-Hahn die Buchhandlung am derzeitigen Standort in der Rue du Sommerard 2 im Pariser Quartier Latin führt, der sich trotz günstigerer Miete nicht als guter Standort herausgestellt habe − wegen der fehlenden Laufkundschaft. Die Verkaufsfläche betrage 20 Quadratmeter, zwischen 4.000 bis 5.000 deutschsprachige Titel seien je nach Saison am Lager. Schwerpunkte sind Literatur, Philosophie, Deutsche Geschichte, Kinder- und Jugendbuch sowie Deutsch für Ausländer (Lehrmaterial).

Seit Frühjahr 2015 hat Mönch-Hahn die Buchhandlung allein betrieben. "Ich habe im Durchschnitt pro Jahr 1,5 Tonnen deutsche Bücher ausgepackt, verräumt, verkauft und teilweise auch in Frankreich versendet. Glücklicherweise gab es immer mal wieder eine kleine Unterstützung durch sehr engagierte Praktikanten, französische oder deutsche Studenten", resümiert sie.

Keinerlei Unterstützung durch deutschsprachige Institutionen

Die wirtschaftlichen Gründe unabhängig von den persönlichen hinsichtlich der Schließung seien komplex: 80 Prozent von Mönch-Hahns Kunden sind Franzosen, "aber es sind eben insgesamt zu wenig, und es kommen leider kaum deutsche Kunden, obwohl ja in Paris 50.000 Deutsche leben". Auch bezüglich der Bestellungen von Seiten der deutschen Institute oder der Schulen in Paris habe sie keine Unterstützung erfahren. Dazu kommen "die schwierigen politischen Umstände in der Stadt wie Attentate, Gelbwesten-Bewegung, Streiks – als nächstes wird es unbegrenzt ab 5. Dezember 2019 einen Generalstreik sämtlicher öffentlicher Verkehrsmittel geben. Sie alle verhindern den Besuch von potenziellen Kunden aus dem Umland von Paris." Seit November 2018 sei der Umsatz an Samstagen wegen der Beeinträchtigungen durch die Gelbwesten-Bewegung dramatisch gefallen.

Zuvor hatte Mönch-Hahn ihre Librairie Allemande schon einmal geschlossen: am 14. Juli 2017 in der Rue Frédéric Sauton, ebenfalls im Pariser Quartier Latin. Dort hatte sie den 40 Quadratmeter großen Buchladen im Mai 2015 eröffnet. Auch damals war der Umsatz im Rechnungsgeschäft zu gering.

Ende einer Ära

2015 hatte bereits die Buchhandlung Marissal gegenüber des Centre Pompidou geschlossen, eine Filiale der Hamburger Marissal Buchhandlung. Mehr als 30 Jahre war sie ein Anlaufpunkt für deutschsprachige Bücher, und Petra Kringel, die die Buchhandlung in der Rue Rambuteau seit 1986 geleitet hatte, eine Institution. Am 14. Juli 2018 schloss dann Gisela Kaufmanns 30 Quadratmeter großer librairie buchladen in der Rue Burq 3. Die Buchhandlung mit 10.000 Titeln war seit 1968 ein beliebter Treffpunkt für deutschsprachige Literatur im Montmartre-Viertel. Ihr hatten die hohen Versandgebühren und das veränderte Kaufverhalten der Kunden zu schaffen gemacht.

Mit der Librairie Allemande geht die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts begründete Ära der bekannten deutschsprachigen Buchhandlungen zu Ende, die oft großen Klang hatten. Der 1992 geschlossene Le Roi des Aulnes etwa, den Nicole Bary nach Goethes "Erlkönig"-Ballade benannt hatte; die Übersetzerin, Veranstalterin und Lektorin der Editions Métailié war eine große Vermittlerin zwischen der französischen und deutschen Literatur. Oder Calligrammes im 5. Arrondissement, die 13 Jahre lang bestehende Buchhandlung Infobuch in der Rue des Blancs-Manteaux und die legendäre Buchhandlung des Schriftstellers Martin Flinker am Quai des Orfèvres.

hc/mg