Analyse: Was die Komplettübernahme von Penguin Random House bedeutet

Vorstoß in ein neues Buchzeitalter

19. Dezember 2019
von Börsenblatt
Als Alleineigentümer der weltgrößten Publikumsverlagsgruppe wird Bertelsmann endgültig zum globalen Player der Buchindustrie. Die deutschen Random House-Verlage werden voll integriert. Welche Perspektiven die Komplettübernahme eröffnet, analysiert Börsenblatt-Redakteur Michael Roesler-Graichen.

Die Großen müssen größer werden, weil Größe in der globalen, digitalisierten Welt zum wirtschaftlichen Gebot wird. Das gilt nicht nur für die Autobranche, in der sich unter dem Vorzeichen der Elektromobilität gerade Fiat Chrysler und das französische Unternehmen PSA zum viertgrößten Konzern der Welt zusammenschließen wollen, sondern auch für die Buchindustrie.

Mit der Aufstockung der Anteile an Penguin Random House (PRH) auf 100 Prozent wird Bertelsmann zum Alleineigentümer der größten Publikumsverlagsgruppe der Welt. Rechnet man die Erlöse der deutschen Verlagsgruppe Random House mit denen von PRH zusammen, kommt man auf einen Gesamtumsatz von 3,4 Milliarden Euro (2018) – das ist mehr als ein Drittel des gesamten deutschen Branchenumsatzes. Damit entsteht ein globaler Player, der die Weichen auf weiteres Wachstum stellt und Synergien nutzen kann wie nur wenige andere Buchkonzerne. Für Bertelsmann-Vorstandschef Thomas Rabe ist die vollständige Übernahme der Pearson-Anteile deshalb ein "Meilenstein". Der Gütersloher Medienkonzern kann damit die Buchaktivitäten, die den Kern seiner unternehmerischen Identität ausmachen, weiter ausbauen. Die einzelnen Verlage werden wachsen, und es wird weitere Zukäufe geben, bis eines Tages ein Abdeckungsgrad erreicht ist, der alle Kontinente umfasst.

PRH kann auf diese Weise Synergien nutzen, die nicht nur das klassische Geschäft mit gedruckten Büchern beflügeln, sondern auch die digitale Transformation und die Wertschöpfung in benachbarten Medienbranchen vorantreiben können. Das wird auf allen Ebenen geschehen: in der Produktion wie in Marketing, Vertrieb und Kommunikation, aber auch durch den Aufbau digitaler Plattformen und neue Kooperationen mit Film-, Games- und Audio-Produzenten innerhalb und außerhalb des Konzerns. Die Wertschöpfungskette wird nicht nur größer, sondern auch komplexer.

Für die deutsche Random House-Einheit, die zwar bisher schon zum Unternehmensbereich PRH gehörte, aber als 100-Prozent-Tochter von Bertelsmann noch eigenständig war, wird die Integration in die globale Gruppe Veränderungen mit sich bringen. Es wird, wie das Beispiel Holtzbrinck und Macmillan zeigt, eine engere Abstimmung zwischen Markus Dohle in New York und Thomas Rathnow in München geben. Die 47 deutschen PRH-Verlage, die sich strukturell und durch die Gründung von Penguin Deutschland der globalen Gruppe schon angenähert haben, können künftig stärker von ihren internationalen Kollegen profitieren, etwa bei großen Lizenz-Deals. Umgekehrt kann auch die internationale Vermarktung deutscher Autorinnen und Autoren zusätzliche Impulse erhalten. Und den Weltbestseller, den eine globale Verlagsmaschinerie in vielen Ländern und Sprachen gleichzeitig herausbringen kann, wird es künftig vielleicht häufiger geben.

Als Gruppe kann man außerdem Herausforderungen begegnen, mit denen einzelne Verlage überfordert wären. Das gilt zum Beispiel für Projekte wie eine klimafreundliche, CO2-neutrale Produktion und Logistik, wie sie etwa die Holtzbrinck-Publishing Group mit Macmillan und den deutschen Holtzbrinck-Verlagen auf den Weg gebracht hat. Aber es gilt auch für das ursprüngliche Ziel eines Verlags, die Meinungsvielfalt zu fördern und ein breites literarisches Spektrum zu präsentieren, in dem auch das Besondere, Unerwartete seinen Platz hat.