Exit-Strategien: So lief der erste Tag im Buchhandel

Strahlende Augen kann man trotz Masken sehen

22. April 2020
von Börsenblatt
Wie war der erste Tag im Buchhandel nach der Wiederöffnung? Eine Reportage aus Leipzig.

»Es ist schön, dass wir wieder ›normal‹ Bücher verkaufen dürfen«, sagt Katja Junghanns von der Buchhandlung Südvorstadt. »Die Vorbereitungszeit war natürlich arg kurz.« Erst am Freitagabend hatte das Sächsische Staatsministerium für Soziales und Gesellschaftlichen Zusammenhalt seine neue »Corona-Schutz-Verordnung« veröffentlicht – Maskenpflicht und Abstandsregelungen inklusive.

Junghanns und ihre Kolleginnen haben alles gut geschafft; Spuckschutz, Laufwege, Infotafeln. Sieben Kunden gleichzeitig im Laden – das wäre möglich gewesen: »Wir haben uns für fünf entschieden, um noch etwas Spiel zu haben. Sicherheit geht vor.« Die Kunden freuen sich, dass »ihre« Buchhandlung wieder geöffnet hat; strahlende Augen kann man trotz Masken sehen.

Peter Hinke und Frauke Hampel hatten das Stammhaus der Connewitzer Verlagsbuchhandlung geschlossen, das Beiboot Wörtersee allerdings als Abholstation für vorbestellte Bücher offen gehalten. »Das wurde, gerade vor Ostern, extrem gut angenommen und hat uns gerettet«, sagt Hampel.

Der aus einem Tischbock und Blumenfolie gebastelte »Wörtersee Kiosk« ist weiterhin am Start, Julius Otto Hinke, der neunjährige Sohn des Buchhändlerpaars, brilliert in den Zeiten der Corona-Krise als Werbegrafiker, Merchandising-Spezialist und Autor in spe: Eine selbst entworfene und getextete Zeitung wurde ins Sortiment aufgenommen, sein Bücherhamster hat es bis in die »FAZ« geschafft und ziert inzwischen sogar den elterlichen Mundschutz

Einlass begrenzen 

Bei einer Großfläche wie Lehmanns Media in der Grimmaischen Straße (2 035 Quadratmeter auf drei Etagen, 30 Mitarbeiterinnen, ab September Teil von Thalia) waren deutlich mehr Vorbereitungen zu treffen, doch das Haus ist gut präpariert.

Sitzflächen wurden, wie auch Toiletten, abgesperrt, Laufwege und Abstandsstreifen angebracht. Es ist deutlich weniger Personal zu sehen; die Belegschaft ist in Kurzarbeit – aber die Kundenfrequenz bleibt an diesem Montagmittag in der Leipziger City beherrschbar.

Maria Kluge, normalerweise fürs Marketing verantwortlich, regelt heute den Einlass und desinfiziert die Einkaufskörbe. Sie dienen gleichzeitig als »Kundenzähler« – so wird sichergestellt, dass sich nicht mehr als 50 Personen gleichzeitig im Haus aufhalten.

Lieferservice bleibt  Anke Schleper und Daniel Niggemann von der Theorie-Buchhandlung Rotorbooks haben ihren Fahrrad-Lieferservice in der Lockdown-Zeit per Instagram, Facebook und Newsletter publik gemacht, bei der Auslieferung halfen sogar Stammkunden.

Und auf diese Weise wurden womöglich neue Stammkunden gewonnen – manche haben so gemerkt, dass man ziemlich gut ohne das große A auskommt. Die nächste Herausforderung wird, so Schleper, »Lieferservice und Laden jetzt gleichzeitig weiter zu betreiben – da sind doch einige auf den Geschmack gekommen«.

Bei Heike Grümmer von der Buchhandlung Grümmer in Plagwitz wird gerade Spiegelei für die Mannschaft gebraten. Auch hier ist die Öffnung gut und entspannt angelaufen. Und auch hier berichtet man von vielen Neukunden. Grümmer ist ein wenig besorgt, ob die Solidaritätsbekundungen auch in der Phase der schrittweisen Lockerung Bestand haben. »Die Leute hatten alle so viel Zeit und haben jede Menge Bücher gekauft. Ob die jetzt erst Weihnachten wiederkommen?« Die nächsten Tage werden zeigen, wie es weitergeht.


Die drei Leipziger Hugendubel-Filialen blieben zum Wochenanfang geschlossen. Hugendubel arbeitet mit Hochdruck an der Wiederöffnung seiner Filialen; die Sicherheit von Kunden und Mitarbeitern stehe jedoch, wie aus der Münchner Zentrale zu hören ist, an oberster Stelle. Noch in der laufenden Woche werden schrittweise Filialen den Lockdown beenden – ob dazu auch die in Leipzig gehören werden, stand bei Redaktionsschluss noch nicht fest.