Das Urteil des Bundesgerichtshofs zur Ausschüttungspraxis der VG Wort berücksichtigt nicht, dass Verlage oft in signifikantem Umfang urheberische Leistungen zu einem Buch beisteuern. In unserem Verlag, der Ratgeber, Sachbücher und Erzählliteratur veröffentlicht, dauert die Lektorats- und Korrektoratsarbeit an einem Titel in der Regel einen Monat. Oft liefert der Verlag die Ideen für Titel und Untertitel und für die Kapitelüberschriften. Die inhaltlichen Korrekturen und teilweise Ergänzungen durch den Verlag können erheblich sein. Der Verlag verfasst den Beschreibungstext des Buches. Und schließlich fertigt er in aller Regel die Bilder für die Umschläge der Titel an, was mit erheblichem Zeit- und Geldaufwand verbunden sein kann.
Natürlich kann dies bei anderen Buchgenres, z. B. bei wissenschaftlichen Büchern, ganz anders sein. Es wäre aber kein Problem, bei den Ausschüttungsregeln zwischen unterschiedlichen Genres zu differenzieren, was ja in der Vergangenheit bei der VG Wort und der VG Bild-Kunst auch bereits geschehen ist.
Wenn die Ausschüttungen der Verwertungsgesellschaften an die Verlage künftig wegfallen, müssen Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Das kann bedeuten, dass der Verlag die Autoren zu Druckkostenzuschüssen oder "Beteiligungen" heranzieht. Oder die Buchpreise werden erhöht, oder die Autorenhonorare abgesenkt. Auch beim Personal bzw. bei freien Mitarbeitern und Dienstleistern kann gespart werden. Und mancher Verlag wird vielleicht sogar beim Lektorat sparen, was für unseren Verlag allerdings auf keinen Fall in Frage kommt.
Für Autoren wird die Verlagssuche künftig schwieriger, wenn Verlage von der Bildfläche verschwinden und die vorhandenen Verlage noch wählerischer als bisher bei der Auswahl von Buchprojekten vorgehen müssen.
Das sogenannte Selfpublishing ist kein Ausweg für Autoren, da hier in vielen Fällen die nötigen Branchenerfahrungen fehlen und teilweise sehr unprofessionell gearbeitet wird. Ein Lektorat scheint es hier oft nicht zu geben. Dies ist aber fatal, denn es bedeutet Verzicht auf Qualität und Qualitätskontrolle. Welcher Buchhändler will so etwas haben? Und wo bleiben die ausführliche persönliche Beratung der Autoren und das ganze Marketing? Unser Verlag nimmt pro Jahr z. B. an ca. zehn Buchmessen und anderen Handelsmessen teil. Welcher "Selfpublisher" könnte sich so etwas leisten?
Fazit: Die Folgen des Prozesses Martin Vogel gegen die VG Wort und der Entscheidung des Bundesgerichtshofs sind nicht nur für die gesamte Verlagsbranche ein schwerer Schlag, sondern bringen auch fatale Nachteile für Autorinnen und Autoren mit sich.
Auf gute fachliche Beratung sollte der Autor nicht verzichten - das könnte ja auch eine Agentur leisten, oder ein guter Schriftstellerverband.
Ohne Marketing funktioniert kein Vertrieb - manche "Selfpublisher" leisten da besseres, als manche Verlage für manche Autoren.
Ein Verlag bewirbt auf der Messe auch sich selbst mittels der zugkräftigen Autoren, die bei ihm veröffentlichen, das sollte man nicht vergessen.
Literatur ohne Verlage? - Da ist kein Grund zur Sorge, außer eben für Verlage ...
Verlage, die Druckkostenzuschüsse von Autoren verlangen, gibt's ja schon. Da braucht man sich keine Sorgen zu machen, daß die plötzlich besonders wählerisch bei Buchprojekten vorgehen, und das liegt an der ökonomischen Struktur solcher Firmen.
Fazit: Autoren und Literatur wird es auch ohne Verlage geben. Verlage ohne Autoren ...
Versuchen Sie doch bitte nicht, hier dahingehend zu manipulieren, daß Ihre Probleme auch die der Autoren seien. Autoren, gerade auch gute und neue, hatten bisher so viele Probleme durch das Verlagssystem in der Literatur, daß sie keine Panik entwickeln werden, nicht mehr in Ihren Postbergen unterzugehen.
Dazu noch das unreflektierte und pauschalisierende Abwerten von Selfpublishern. Äußerst rückwärtsgewandte Sichtweise. Aber das erscheint ja symptomatisch für diese Branche.
Die Verlage, die sich lautstark über angebliche Raubkopien und damit Urheberrechtsbrüche mokieren (womit sie natürlich nicht die Urheber- sondern die Verwerterrechte meinen), sind also ungehalten darüber, dass sie ihre jahrzehntelange Urheberrechtsverletzung nicht fortführen dürfen. Was ist das für ein Geschäftsmodell, das auf einer Rechtsverletzung aufbaut?
Ein ordentlicher Lektor greift inhaltlich, strukturell und sprachlich in das Manuskript ein (anders als ein Korrektor, der das nicht kann und darf), und das kann manchmal mehrere Mannmonate dauern.
Die Verlage hinter den Plattformen -- BoD/Libri mit seinen fast 40.000 Titeln pro Jahr und Amazon,
um nur die beiden größten zu nennen --, sind nichts anderes als ganz normale Dienstleistungsverlage,
nur daß ihnen eben die Kompetenz eines Verlegers und Lektors, der sich um seine Autoren kümmert, fehlt. Deren Autoren
verzichten damit in ihrer Unwissenheit (oder Borniertheit?) auf dieses entscheidende Merkmal eines Verlags.
Ganz am Rande würde mich brennend interessieren, ob die Verlagsplattformen BoD/Libri, Amazon etc. ebenfalls von der VG Wort für ihre Nicht-Tätigkeit entlohnt worden sind und ob auch die modernistisch-digitalen Möchtegern-Autoren Zuwendungen der VG Wort kassieren.
Da sich überwiegend Verlage zum Thema äußern und keine Autoren, die sich über die Mehreinnahmen freuen müssten, frage ich, ob es nicht nur darum geht, Druck auszuüben.