Oldenburger Jugendbuchpreis wird 2016 nicht vergeben

Kein herausragender Titel in diesem Jahr

17. Oktober 2016
von Börsenblatt
286 eingereichte Erstlingswerke (195 Manuskripte, 91 Bücher) hat die Jury für den Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis 2016 beurteilt. Danach hat sich die Jury entschieden, den Preis mangels Qualität in diesem Jahr nicht zu vergeben, aber Empfehlungen für vier Nachwuchsautoren auszusprechen.

Auf die Empfehlungsliste sind drei Jugendbuchmanuskripte sowie ein Kinderbuchmanuskript gekommen:

  • Ocke Bandixen aus Hamburg mit seinem Jugendbuchmanuskript „Läuft“
  • Martin Muser aus Berlin mit seinem Kinderbuchmanuskript „Kannawoniwasein – Finn und Jola machen Sachen“
  • Lea-Lina Oppermann aus Hennef mit ihrem Jugendbuchmanuskript „Was wir dachten was wir taten“
  • Tobias Steinfeld aus Düsseldorf mit seinem Jugendbuchmanuskript „Im Himmel gibt es Sucuk, so viel du willst“

Begründung für die Nicht-Verleihung in diesem Jahr

Ihre Entscheidung begründete die Jury gemeinsam wie folgt: "In diesem Jahr schafften es so viele Titel wie selten in die finale Prüfungsrunde der Jury: vom Bilderbuchmanuskript bis zum umfangreichen phantastischen Epos, von der Kindererzählung bis zum realistischen Jugendroman waren unterschiedlichste Genres vertreten. Am Ende einer intensiven Diskussion konnte sich die Jury auf vier auffällige Titel einigen: Titel, die mit originellen Settings, einem frischen Ton, einer ungewöhnlichen Perspektive die aktuelle Kinder- und Jugendliteratur durchaus bereichern und damit deutlich aus dem Gros der Einsendungen herausstachen – eine insgesamt gut besetzte Auswahlliste.

Gemessen jedoch an dem formulierten Anspruch des Preises einerseits und der hohen Qualität der bislang ausgezeichneten Titel und Autorinnen und Autoren, Illustratorinnen und Illustratoren wie Mirjam Pressler, Nikolaus Heidelbach, Zoran Drvenkar, Tamara Bach, Nils Mohl, Rolf Lappert oder Lara Schützsack andererseits fehlte allen Titeln jedoch ein kleiner Schritt bis zu dieser Stufe. Die Jury hat es sich nicht leicht gemacht mit der schlussendlichen Entscheidung, von der Möglichkeit Gebrauch zu machen den Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Oldenburg in 2016 nicht zu vergeben. Damit bleibt sich der Preis treu, nur besondere, herausragende Titel mit hohem literarischem und ästhetischem Anspruch auszuzeichnen."

 Mitglieder der Jury:

Dr. Christian Bittner (Sonderpädagoge aus Bochum), Nadia Budde (Illustratorin und Autorin aus Berlin), Robert Elstner (Diplom-Pädagoge und wissenschaftlicher Bibliothekar in der Stadtbibliothek Leipzig), Ralf Schweikart (Redakteur und Journalist aus Hofheim am Taunus) und Josephine Sommersberg (Schülerin der IGS Flötenteich aus Oldenburg).

Die einzelnen Jurymiglieder äußerten sich einzeln noch einmal differenzierter:

Nadia Budde: „Erstaunlich viele Bücher und Manuskripte schafften es in diesem Jahr in die engere Auswahl. Viel guter Lesestoff für die Jury und ein sehr breites Spektrum an Themen, die auf den ersten Blick zunächst auf weniger Fantasy und dafür mehr Realität deuteten. Bei näherer Betrachtung fiel außerdem auf, dass Eltern und Großeltern wieder verstärkt in Erscheinung treten und unterschiedliche familiäre Situationen Ausgangspunkt der Geschichten bilden. Die Realität der Familie, die Erwachsenen in ihren verkorksten Leben, mit ihren Unzulänglichkeiten und Problemen, ihrer Hilflosigkeit, mit Ablehnung oder zu viel Einmischung sind oft Ursache eines Aufbruchs. Die Protagonisten machen Erfahrungen, finden Wahrheiten, gewinnen Erkenntnisse und beziehen die Erwachsenen oft mit ein. Dabei übernehmen die Kinder und Jugendlichen natürlich die interessantere, die weisere, verständnisvollere Position ein, zum Glück aber manchmal auch die albernere.“

Robert Elstner: „Auch wenn ein herausragendes ‚literarisches Ereignis‘ in diesem Jahr nicht zu entdecken war, kann von einem schlechten Jahrgang nicht die Rede sein. Überzeugen konnte die Qualität und insbesondere die thematische Vielfalt der eingesandten Manuskripte. So präsentiert die finale Auswahl auch vom inszenierten Drama bis hin zum aberwitzigen Roadmovie für Kinder die ganze Breite wünschenswerter Stoffe, die a) hoffentlich einen Verlag und b) eine breite Leserschaft finden werden. Eher enttäuschend war die Auswahl bereits lektorierter Debüts, da im Gros zu beliebig und damit auf dem ohnehin von viel Beliebigkeit geprägten Kinder- und Jugendbuchmarkt eher verzichtbar. Statt schierer Masse wünscht man sich Texte, die in Erinnerung bleiben. Ein Merkmal, das offenbar vom Aussterben bedroht ist!“

Ralf Schweikart: „Es war in diesem Jahr spannend zu beobachten, wie sich zwischen die vielen ‚echten’ Debütantinnen und Debütanten auch mehr und mehr erfahrene Drehbuchautorinnen und -autoren gemischt haben. Typisierende Figurencharakterisierungen, szenische und visuell geprägte Schreibweisen, ein klar formulierter und präsenter Plot als Handlungsrahmen: Das Handwerkszeug ist bei vielen vorhanden. Aber das ist eben nicht alles, sondern es braucht auch Eigenständigkeit und eine unverwechselbare Stimme, um wirklich aus der Menge guter Texte aufzufallen.“

Christian Bittner: „Schon in den letzten Jahren, aber insbesondere auch in diesem Durchgang ist mir aufgefallen, dass sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises zunehmend ‚professionalisieren’. Eine Vielzahl der Nachwuchsautorinnen und -autoren hat einschlägige literarische Fortbildungen besucht: von Workshops für Kreatives Schreiben über regelmäßige Erzähl- und Lesekreise bis hin zum Bachelorstudiengang Literarisches Schreiben. Das kommt definitiv der Qualität der eingereichten Einsendungen zugute: Insbesondere in diesem Jahr gab es (wieder einmal) eine Fülle handwerklich ordentlich gemachter beziehungsweise erzählter Kinder- und Jugendliteratur. Aber – und das ist gleichsam die Kehrseite des professionalisierten Schreibens und Erzählens – die Einzigartigkeit, die Individualität, der unverwechselbare Stil, der Mut zu etwas völlig Neuem: Die Zutaten, die einen herausragenden literarischen Text ausmachen, lassen sich nur schwer in Schreibkursen vermitteln (beziehungsweise sind zum Teil dort sogar verpönt). Und leider fehlte in diesem Durchgang des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises diese einzigartige, individuelle Stimme, sodass wir uns als Jury dazu entschlossen haben, 2016 keinen Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis zu vergeben, um dessen Qualität und einzigartige Position in der deutschsprachigen kinder- und jugendliterarischen Landschaft nicht zu verwässern.“

Josephine Sommersberg: „Viele der eingeschickten Bücher und Manuskripte waren sehr gut und hatten Potenzial, auch wenn es für keines ganz gereicht hat. Es gab viele gute Ideen für Geschichten und interessante Schreibstile, die das Lesen des dicken Bücherstapels unterhaltsam gestaltet haben. Es gab wie schon zuvor einen großen Zulauf an Jugendbüchern, die sich an die Sprache der Jugendlichen angepasst haben. Offensichtlich ist das ein Trend und da sich hier Erwachsene nicht einfach versuchen über die Sprache bei jungen Lesern anzubiedern, sondern die Sprache tatsächlich im Griff haben, sogar ein begrüßenswerter.“

Der Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreis

Seit 1977 vergibt die Stadt Oldenburg einen Preis für herausragende literarische und künstlerische Leistungen auf dem Gebiet der Kinder- und Jugendliteratur. Der mit 7.600 Euro dotierte Preis ist der einzige seiner Art in Deutschland. Als Förderpreis dient er dem Ansporn und der Ermutigung von Autorinnen und Autoren beziehungsweise Illustratorinnen und Illustratoren ein Erstlingswerk vorzulegen. Zugleich soll innovativen Ideen eine Chance gegeben und ein Anreiz geschaffen werden, die Werke Unbekannter in die Verlagsprogramme aufzunehmen.


Die Preisträger werden von einer ehrenamtlichen, unabhängigen und überregionalen Jury ausgewählt. Die Qualität ihrer Entscheidungen hat zum hohen Renommee des Oldenburger Kinder- und Jugendbuchpreises geführt. Der Erfolg lässt sich daran ablesen, dass viele Preisträger weitere Veröffentlichungen vorgelegt haben und ausgezeichnete Erstlingswerke mehrfach aufgelegt wurden oder weitere Ehrungen erhielten. So hat Sabine Friedrichson (Preisträgerin 1979) den „Sonderpreis Illustration“ des Deutschen Jugendliteraturpreises 2015 erhalten. Tamara Bach (Preisträgerin 2002) und Beate Teresa Hanika (Preisträgerin 2007), beide mittlerweile etablierte Autorinnen, bringen im Herbst neue Romane auf den Markt. Und „Die unsichtbare Grenze“ von Petra Milz (Nominierte in 2014) erscheint ab September 2016 unter dem Titel „Die kurze Freiheit“ im Hase und Igel Verlag.