Interview mit Joachim Treeck, Aufsichtsratsvorsitzender der BBG

Mehr Kommunikation!

24. Mai 2017
von Torsten Casimir
Als Vorsitzender des BBG-Aufsichtsrats hat Joachim Treeck mehr als 14 Jahre lang über die Aktivitäten von Frankfurter Buchmesse und MVB gewacht. Nun zieht er sich wie geplant aus dem Gremium zurück – zum Abschied ein Interview.

Sie haben jüngst im Börsenverein über das Verhältnis zwischen dem Verband und seinen Wirtschaftsbetrieben gesprochen. Aus welchem Anlass?
Es ging darum, den Mitgliedern der Fachausschüsse den Zweck unserer besonderen Konstruktion zu vergegenwärtigen. Die Einrichtung der Holding BBG war allein von steuerrechtlichen Erwägungen getrieben. Sie versetzt den Börsenverein und die Landesverbände in die Lage, die Erträge aus ihren Wirtschaftsbetrieben körperschaft­steuerfrei einzunehmen. Voraussetzung dafür ist allerdings, dass die Organe des Verbands keinen direkten Einfluss auf die Geschäftsleitung der Wirtschafts­betriebe nehmen.

Darin liegt für die Gesellschafter schon eine Zumutung. Gemeinhin möchten Eigentümer die Geschäftspolitik doch mitgestalten.
So läuft es ja auch normalerweise bei Wirtschaftsunternehmen. Aber die haben dann keine Körperschaftsteuerfreiheit. Insofern gilt das "quid pro quo", das Prinzip von Leistung und Gegenleistung. Das ist keine Zumutung, finde ich.

Gibt es Themen im Verhältnis des Aufsichtsrats zum Verband, die anders als bisher bearbeitet werden sollten?
Ja, aus meiner Sicht ist es das Thema einer zum Teil mangelnden Vertrautheit miteinander. Ich stelle da gelegentlich ein gewisses Fremdeln fest.

Was lässt sich dagegen tun, diesseits komplizierter Strukturänderungen?
Kommunikation! Bei den Buchtagen könnte man den Aufsichtsratsvorsitzenden zu den Wirtschaftsbetrieben berichten lassen. Das hätte die schöne Nebenwirkung, dass nicht nur die Gremienvertreter, sondern allgemein die Mitglieder das Gesicht des Aufsichtsratsvorsitzenden kennen, dass man miteinander spricht von Mensch zu Mensch. Man könnte auch zu Themen, die ein Verbandsgremium verhandelt und die eine Relevanz für die Wirtschaftsbetriebe haben, einen der externen Vertreter des Aufsichtsrats hinzubitten. Man könnte ferner – wie bei Aktiengesellschaften üblich – einen schriftlichen Bericht des Aufsichtsrats vorsehen, der am Jahresende an die Gesellschafter gegeben wird. Man könnte – noch eine Anregung – sich überlegen, dass nach jeder Sitzung des Aufsichtsrats ein Kurzbericht im Börsenblatt erfolgt, in dem über die beratenen Themen und die gefassten Beschlüsse informiert wird.

Wie haben sich während Ihrer Zeit im Aufsichtsrat die Wirtschaftsbetriebe entwickelt?
Die Wirtschaftsbetriebe sehen heute völlig anders aus als 2002/2003. Diese Entwicklung ist natürlich nicht allein dem Umstand zuzuschreiben, dass wir eine Holding haben. Damals fanden wir zwei Unternehmen vor – die AuM, heute FBM, in der Töngesgasse, die MVB im Großen Hirschgraben –, die strikt separat voneinander aufgestellt waren. Für diese Unternehmen bedeutete das Holding-Dach, dass sie einen anderen Gesellschafter bekamen; bis dahin waren Börsenverein und Landesverbände selbst die Gesellschafter. Sie wollten allerdings unter dem nunmehr gemeinsamen Dach anfangs gar nichts miteinander zu tun haben.

Wie ist der Wandel der Einstellungen in Gang gekommen?
So etwas braucht Zeit. Eine wichtige Rolle spielte aus meiner Sicht, dass man später im Haus des Buches auch physisch zusammenzog. So wuchs allmählich das Verständnis für gegenseitige Themen und Probleme. Die Annäherung wurde auch dadurch befördert, dass bald nach Einführung der Holding-Struktur zwei Manager von außen kamen, die in amerikanisch geprägten Kapitalgesellschaften ihr Handwerk gelernt hatten – nämlich ­Juergen Boos bei John Wiley und Ronald Schild bei Amazon. Mit ihnen kam ein stark auf Effizienz ausgerichtetes, rational strukturiertes Verhalten in die Unternehmen.

Welche Risiken sehen Sie für die FBM und die MVB in den nächsten Jahren?
Der Buchmarkt stagniert weitgehend, ist teilweise sogar rückläufig. Was allerdings die von der FBM und der MVB bedienten Märkte anbelangt, so lässt sich immerhin feststellen, dass nicht die großen Player an der Pforte stehen und auf einem sehr profitablen Markt mitverdienen wollen – wie etwa Google im Automobilsektor oder Airbnb im Gastgewerbe. Ein Risiko gerade für die MVB könnte eher dadurch entstehen, dass ihre wesentlichen Tools VLB und VLB-TIX Konkurrenz bekommen, indem die Amazons dieser Welt sagen: Wir machen so etwas Ähnliches, aber bieten es umsonst an, um den Verkauf von Büchern und sonstigen Waren zu befördern. Da wird man sehr aufmerksam sein müssen.

Wäre weitere Diversifikation eine Antwort auf das Risiko?
Für die MVB sehe ich am erfolgversprechendsten die Möglichkeiten zu territorialer Diversifikation. Das wird ja bereits intensiv angegangen mit dem Projekt Metabooks in Brasilien. Im Produktbereich weitere Diversifikation zu betreiben, hielte ich für kompliziert. Man muss die richtige Balance finden zwischen der Fokus­sierung auf das, was man kann, und der Diversifikation.

Und bei der Schwester Frankfurter Buchmesse?
Dort gibt es viele Ansätze rund um den Messebetrieb. Noch sehe ich nicht, in welche Richtung das führen kann. Es wird aber viel versucht, und das ist auch genau richtig so. Dass die zielsicheren Pfade noch nicht gefunden sind, kritisiere ich gar nicht. Wichtig ist nur, dass man diese Versuche mit genauen Kostenrechnungen begleitet.

Was waren vor mehr als 14 Jahren Ihre Motive, sich als Aufsichtsrat der neuen BBG-Holding zur Verfügung zu stellen?
Ich hatte über Jahrzehnte ein sehr intensives Berufsleben in einer internationalen Sozietät geführt, die mit über 50 Büros in 25 Ländern vertreten war. Da war man ständig unterwegs. Ich war mir immer schon darüber im Klaren, das mache ich nicht, bis ich tot vom Schreibtisch falle. Sondern ich wollte frühzeitig aus dem anwaltlichen Dasein zurück­treten, um dann eine Lebensphase zu haben, in der ich noch einmal etwas Neues tun kann. Konkreter waren ­meine Vorstellungen nicht, ich wusste nur, es wird etwas völlig anderes sein. In dieser Phase sprach mich der Börsenverein an. Das passte wunderbar, und die Aufsichtsratstätigkeit wurde ein wichtiger Teil dieser neuen Phase.

Was haben Sie sich von den Menschen der Buchbranche versprochen?
Mein beruflicher Umgang war bis dahin vorwiegend von Industrie­managern, Bankern oder Investoren geprägt. Aber nicht von Menschen, die Bücher machen und vertreiben, und auf diese war ich neugierig. Wir sind zwar gut befreundet mit einem Literaturkritiker, wir waren Nachbarn von Robert Gernhardt und hatten auf diese Weise auch Zugang zu deren Umfeld. Das war aber die private Sphäre. Nun sollte ich Einblick bekommen in eine mir ganz neue Branche und intensiver die Menschen kennenlernen, die dort beruflich sozialisiert wurden. Das fand ich – und finde ich bis heute – sehr spannend und anregend.