Ein Porträt von Ludger Kleyboldt, NWB Verlag

Wertebewusstsein

26. Juli 2017
von Börsenblatt
Gute Arbeitsbedingungen, ein menschliches Miteinander, aber auch die ständige Bereitschaft zur Veränderung sind für ihn Garanten des wirtschaftlichen Erfolgs: Begegnung mit Ludger Kleyboldt, Geschäftsführer des 1947 gegründeten Fachverlags NWB in Herne.

Herne ist nicht gerade eine klassische Verlagsstadt. Mitten in der Metropolregion Rhein-Ruhr gelegen, gehört sie mit ihren rund 160.000 Einwohnern zu den am dichtesten besiedelten Großstädten Deutschlands. Hier, nur wenige Fußminuten vom Bahnhof entfernt, hat seit 70 Jahren ein Verlag seinen Sitz, der in Steuerberater- und Wirtschaftsprüferkreisen einen klingenden Namen hat: NWB.

Ludger Kleyboldt führt das Unternehmen in der dritten Generation; seit fast 15 Jahren steht der promovierte Jurist mit Schwerpunkt Steuerrecht als geschäftsführender Gesellschafter an der Spitze, 2016 nahm er Felix Friedlaender und Mark Liedtke in die Geschäftsführung auf. Das inzwischen am Standort Herne auf 290 Mitarbeiter gewachsene mittelständische Unternehmen bedurfte einer erweiterten Führungsstruktur.

NWB – 1947 von Kleyboldts Groß­eltern Friedrich Wilhelm und Ursula Schlenkhoff mit den "Neuen Wirtschafts-Briefen" begründet – ist ein Unternehmen mit klaren Ansagen. Das beginnt schon mit der Farbe – dem kräftigen, warmen Zitronengelb, das alle Bücher und Produkte grundiert und den Besucher schon beim Betreten der Lobby in Empfang nimmt. Eine Signalfarbe, die für Aufmerksamkeit sorgt und eine eindeutige Botschaft aussendet: Hier geht es um aktuelle und praxisnahe Fachinformation.

Im Gespräch mit Kleyboldt fallen immer wieder Schlüsselbegriffe, die man vielleicht weniger im Kontext eines Verlags als eher von einem Solaranlagen-Anbieter erwartet: Nachhaltigkeit, Verantwortung, Zukunft. Nachhaltigkeit definiert der Verleger als Gleichgewicht dreier miteinander verzahnter Säulen: "soziale Verantwortung, Ökologie und ökonomischer Erfolg". Ist das nicht geradezu ein "grünes Bekenntnis"? "Nein, das ist nicht parteipolitisch gedacht, sondern vielmehr eine strategische Grundorientierung. Ich glaube schon, dass wir dauerhaften und langfristigen Erfolg nur erreichen, wenn wir das Miteinander schaffen. Da muss man weiterdenken und zum Beispiel die Re­gion miteinbeziehen. Die meisten unserer Zulieferer und Dienstleister kommen aus Deutschland, einige sogar aus dem näheren Umkreis."

Entscheidend ist für Kleyboldt der Gedanke, dass die ökonomische Leistung des Verlags nicht mit Nachteilen für andere Menschen und Regionen sowie für die kommenden Generationen erkauft wird. Also kein "nach uns die Sintflut", aber auch kein "neben uns die Sintflut", wie der Soziologe Stephan Lessenich sein 2016 erschienenes Buch über die "Externalisierungsgesellschaft und ihren Preis" (Hanser) betitelt hat.

Dass "Nachhaltigkeit" nicht nur eine Parole ist, die der Imagepflege dient, zeigt sich unter anderem daran, dass sie selbst "nachgehalten" wird – mit dem jährlichen Nachhaltigkeitsbericht, den jeder Kunde und Interessierte von der Website des Verlags herunterladen kann und der auf den Kriterien des Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) aufgebaut ist. Darin lässt sich nachvollziehen, in welchen Bereichen bestimmte Ziele erreicht wurden – beispielsweise bei der Produk­tion klimaneutraler Zeitschriften oder in der Frage der Ressourceneffizienz. Auch der Einhaltung von Arbeitnehmerrechten ist ein eigenes Kapitel gewidmet. Der Report für 2016 ist gerade in Arbeit.

Der Gedanke des Miteinanders prägt in besonderem Maße auch die Arbeit im Unternehmen selbst. Den Mitarbeitern res­pektvoll zu begegnen, ihnen Chancen und Freiräume zu bieten, gehört für den Verleger selbstverständlich dazu. "Kern unseres Erfolgs ist auch, dass Mitarbeiter an ihrer jeweiligen Position eigenverantwortlich handeln und Lösungen entwickeln", sagt Kleyboldt. Basis einer solchen Zusammenarbeit ist Vertrauen, das der Geschäftsführer in die Mitarbeiter setzt – das aber auch mit gegenseitigen Erwartungen verbunden ist. Wenn die Chemie einmal nicht stimmt, wird das offen ausgesprochen. In den meisten Fällen sieht sich Kleyboldt in der Rolle des Moderators, der für Ausgleich sorgt oder auch einmal korrigierend eingreift.

Der offene Führungsstil scheint dem Unternehmen zu bekommen: In den vergangenen Jahren stieg der Umsatz stetig (auf mittlerweile über 40 Millionen Euro), die Zahl der Mitarbeiter wuchs dynamisch. Derzeit bietet der Verlag (Stand: Anfang Juli) acht offene Stellen.

Seit Kleyboldts Übernahme der Geschäftsführung vor 15 Jahren hat sich das Portfolio des Verlags stark gewandelt: Neben das Fachbuch- und Fachzeitschriftenprogramm sind zahlreiche digitale Produkte und Plattformen getreten. Zudem wurde der Fokus mit dem Kauf des Juve Verlags in Köln (2016) auf Brancheninformation ausgeweitet. Herzstück des digitalen Angebots ist die NWB Datenbank, in der Steuer- und Wirtschaftsprofis alle wichtigen Urteile, Werkzeuge und aktuelle Informationen finden, die sie für ihre tägliche Arbeit benötigen. Zahlreiche Online-Angebote können zudem auch auf mobilen Endgeräten genutzt werden.

Erfolg, das ist Kleyboldt immer bewusst, kann auch einschläfern. "Deshalb ist die Bereitschaft zur Veränderung essenziell für die Mitarbeit im Verlag", so Kleyboldt. "Digitale Transformation ist ein Prozess, der nie aufhört." Im Gegenteil: Verlage und Gesellschaft stehen da noch ziemlich am Anfang.

Um den damit verbundenen Innova­tionsprozessen mehr Raum zu geben, hat NWB vor zwei Jahren eine eigene Entwicklungsabteilung aus der Taufe gehoben, die räumlich und personell separiert vom Mutterunternehmen arbeitet: spirit'47 in Dortmund. Schon im Namen knüpft sie an den Geist der Gründer­generation an, der mit der heutigen Start-up-Kultur vieles gemeinsam hat. Das ­spirit'47-Team arbeitet relativ autonom, stimmt sich aber natürlich mit dem Produktmanagement und den Redaktionen in Herne regelmäßig ab. Kleyboldt ist es wichtig, dass das Innovations-Lab ohne konkreten Ergebnisdruck arbeiten kann. Neben anderen Produktideen wurde etwa "digital|steuern" am Markt ausgerollt: eine Plattform, die Steuerberater auf dem Weg der Digitalisierung ihrer Arbeitsprozesse in der Kanzlei unterstützt.

Wenn Kleyboldt von Verantwortung spricht, hat er nicht nur Soziales im Sinn. Ein ganz wesentlicher Punkt für ihn ist die Verantwortung für die Produkte: In kaum einem anderen Segment der Fachinformation kommt es so auf die Zuverlässigkeit und Sicherheit der Inhalte und Daten an wie in Steuerangelegenheiten. Falsche Informationen oder unverschlüsselte Kundendaten bedeuten in der ­Praxis ein Prozessrisiko. "NWB hat die Größe, um alle wichtigen Software-­Entwicklungen – auch im Bereich der IT-Sicherheit – selbst vornehmen zu können", sagt Kleyboldt. Nur hier und da kaufe man spezielle IT-Leistungen zu.

Einem Verleger, der Wertüberzeugun­gen als Teil der Unternehmensstrategie betrachtet, ist natürlich auch die Frage nicht gleichgültig, wie sich Arbeit, Freizeit und Familie in ein Gleichgewicht bringen lassen. Dass dafür viel getan wurde, beweisen die mehrfachen Auszeichnungen als familienfreundliches Unternehmen. Für Ludger Kleyboldt selbst ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf eine tägliche Herausforderung: Privat genießt er das Landleben mit Frau und vier Kindern in Dülmen ("da kann ich mal zur Entspannung Brennholz für den Kamin sägen"), beruflich muss er in Herne und bei vielen Kongress- und Kundenterminen den Verlag im Blick behalten. Hinzu kommen Ehrenämter wie die Vorstandsarbeit bei der Deutschen Fachpresse und, gemeinsam mit seiner Frau Alice, das Engagement in der Für-Euch-Stiftung, die sozial benachteiligten Kindern und Jugendlichen aus Herne und Umgebung den Start ins Leben erleichtert.

Überblick: Fakten zu NWB
  • Geschäftsführung: Felix Friedlaender (Markt und Programm), Ludger Kleyboldt (Mitarbeiter und Finanzen) sowie Mark Liedtke (Kunden und Services)
  • Gründung: 1947
  • Mitarbeiter: 330 (inklusive 40 beim Kölner Juve Verlag, der zum 1. Januar 2016 vom NWB Verlag übernommen wurde)
  • Jahresumsatz: über 40 Millionen Euro (2016)
  • Website: www.nwb.de