»Der Fall »Esra« ist deshalb unbedingt im Sinne der Kunstfreiheit zu entscheiden.« So lautet der letzte Satz im 50-seitigen Gutachten von Christian Eichner, Rechtsanwalt in Düsseldorf, und York-Gothart Mix, Professor für Literaturwissenschaft und Komparatistik in Marburg, das dem Bundesverfassungsgericht seit Ende Mai vorliegt.
Das Verfahren sei als Neuauflage des Verfassungsstreits um das Bücherverbot von Klaus Manns Exilroman »Mephisto« anzusehen und werde für die Interpretation der Kunstfreiheit sowie den deutschsprachigen Literaturbetrieb»normierende Bedeutung« erlangen, schreiben die Gutachter. Und weiter: das Verbot von »Esra« könne »als Lackmustest für die Kunstfreiheit in der Bundesrepublik Deutschland« klassifiziert werden. Von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde es abhängen, ob zukünftig Einzelpersonen unter Verweis auf ihr allgemeines Persönlichkeitsrecht und unter »Verkennung und Leugnung der Literarizität und Fiktionalität eines Textes« Formen einer »privatim motivierten, aber staatlich legitimierten Zensur« ausüben.
Im »Esra«-Verfahren ist derzeit eine Verfassungsbeschwerde von Maxim Billers Verlag Kiepeneuer & Witsch anhängig. Zuvor hatten verschiedene Gerichte für ein Verbot des Buches plädiert. Auch der Börsenverein, der P.E.N. und der Verband deutscher Schriftsteller (VS) hatten in Stellungnahmen an das Bundesverfassungsgericht darauf hingewiesen, dass der Roman als Kunstwerk betrachtet werden müsse. Mit einer Entscheidung des Gerichts ist im Herbst dieses Jahres zu rechnen.
Das komplette Gutachten können Sie unter folgendem Link herunterladen: