Die Sonntagsfrage

"Was fangen Sie mit dem Gründerpreis an, Frau Manke?"

29. Juni 2018
von Börsenblatt
Der Büchner-Verlag aus Marburg ist mit dem ersten Hessischen Verlagspreis in der Kategorie Gründerpreis ausgezeichnet worden. Dabei ehrt die Jury auch den Rückgriff auf das altehrwürdige, von den neuen Besitzern des Büchner-Verlags wiederentdeckte genossenschaftliche Betriebsmodell des Verlags. Wie das funktioniert und was den Büchners der Gründerpreis bedeutet, erklärt Sabine Manke.

In einer Genossenschaft haben alle Mitglieder, unabhängig von ihren Anteilen, genau eine Stimme. Das fördert und fordert einen vernünftigen internen Austausch, weil es für grundlegende Entscheidungen echte Mehrheiten braucht und nicht nur die Mehrheit der Anteile. Meine drei Kolleg_innen und ich sind dank des Modells ohne Schulden in die Existenzgründung gestartet. Wir haben Anteile erworben, für den Vorstand kandidiert und können jetzt mit dem Büchner-Verlag Fahrt aufnehmen. Dies auch im wörtlichen Sinne, denn unser Haupt-Marketing-Tool ist ein Oldtimer-Bulli aus dem Jahr 1978. Mit dem reisen wir seit Herbst 2017 zwei Mal im Jahr durch die Lande, besuchen Autor_innen, improvisieren Klappstuhl-Veranstaltungen und platzieren den einen oder anderen Flyer in Campus-Nähe. Seit Kurzem dient er sogar als Aufnahmestudio für unsere Interview-Reihe "Bulli-Talk". Dabei ist der Bus für uns mehr als ein fotogener Marketing-Gag. Während wir an seinen Roststellen herumlaborierten, hat er uns auch als Team zusammengeschweißt.

Bevor wir den Verlag 2017 übernahmen, stand die weitere Existenz des Unternehmens auf der Kippe, weil die Gründungsmitglieder gerade in ihren Erstberufen durchstarteten. Die genossenschaftliche Struktur war bereits umgesetzt, aber sie lag brach. Als wir innerhalb kurzer Zeit im Sommer letzten Jahres eine professionelle Vertriebsstruktur für den Büchner-Verlag schufen, war die Expertise unserer Alt- und Mit-Genossen von unschätzbarem Wert – und das ist sie nach wie vor.

Diskurse anzetteln

Dieses freundlich-freundschaftliche Umfeld informiert auch unsere Programmentwicklung. Wir sehen, dass es auf dem akademischen Buchmarkt einen stetig nachwachsenden Bedarf nach unabhängigen Verlagen mit einer individuellen Ansprache gibt sowie nach Wissenschaftstiteln mit Ladenpreisen, die die Balance zwischen Wirtschaftlichkeit und Erschwinglichkeit halten. Im Bereich der Sachbücher setzen wir auf das politische Sachbuch, im weiteren Sinne auf Bücher, deren lautes Nachdenken in der Lage ist, Diskurse anzuzetteln (zum Beispiel das Buch "Reicher Pöbel" von Björn Vedder – ET 10/2018). Aktuell haben wir ca. 100 lieferbare Titel, die in Auflagen zwischen 200 und 1.000 Exemplaren erschienen sind.

Der Gründerpreis ist das Beste, was uns hätte passieren können! Er ist uns Ansporn und Verpflichtung. Wir hoffen, dass er uns die Türen von Buchhandlungen, kulturellen Institutionen und anderen Verlagen öffnet, um gemeinsam die Möglichkeiten verschiedener Arten von (Aus)Tauschgeschäften auszuloten.