"Vom Bruderkrieg: Palästinensische Schriftsteller zur Lage in Gaza" - Joseph Croitoru in der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung":
Es kam, wie es kommen sollte - mit diesem Titel eines Gedichts des palästinensischen Nationaldichters Mahmud Darwish überschrieb die Zeitung Al-Ayyam aus Ramallah einen Kommentar des palästinensischen Schriftstellers Ghassan Zaqtan. Dessen Worte drücken jenen tiefen Schmerz aus, wie ihn viele der säkularen Intellektuellen in Palästina nach den blutigen Ereignissen der letzten Tage empfinden mögen. Zaqtan, 1954 geboren, gehört einer Generation palästinensischer Literaten an, die auch stets um den Dialog mit ihren israelischen Kollegen bemüht waren. Ihr Ziel war es immer, dem von der Hamas aufgebauten Feindbild von den Israelis entgegenzuwirken. Dies ist nur ein Aspekt eines Kulturkampfes, der jetzt in den Palästinensergebieten tobt. In seinem Kommentar wirft Zaqtan den palästinensischen Islamisten vor, eine Kultur des Todes und des Mordens verbreiten zu wollen. Er und seine Kollegen hätten zwar gehofft, dass sie sich mit ihren Befürchtungen im Irrtum befänden, doch nun habe die Hamas ihr wahres Gesicht gezeigt: Sie strebe, so Zaqtan, eine vollständige Vernichtung der säkularen palästinensischen Kultur an.
"Die Farben von Istanbul" - die türkische Schriftstellerin Elif Shafak schreibt in der "Frankfurter Rundschau" über ihr Istanbul, das Istanbul der Dichtung:
Mein Istanbul vereinigt Elemente aller vier Istanbuls. Es ist das Istanbul derer, die nicht mehr da sind, weil ich in meinen Büchern über die Spuren der Vergangenheit schreibe. Es ist auch das Istanbul der Nachzügler, weil es sich bei meinen Figuren fast immer um Menschen handelt, die von der Peripherie kommen, aus den Randgebieten, Subkulturen. Es ist auch das dritte, das Istanbul derer, die geblieben sind, weil ich mich in meinen Büchern mit kulturellem Erbe und gesellschaftlichem Gedächtnis beschäftige. Und schließlich ist es auch das Istanbul der Durchreisenden, weil ich ein rastloser Wanderer bin und sich das in meinen Werken widerspiegelt. So kreiere ich ein weiteres - fünftes - Istanbul. Das Istanbul der Dichtung. Das Istanbul der Literatur und Fantasie. In diesem fünften Istanbul gehen Farben und Kategorien ständig ineinander über. Für mich sind "Ost" und "West" eng aufeinander bezogen. Sie sind weder feststehend, noch schließen sie sich gegenseitig aus. Ich glaube, es gibt eine Stadt in der Welt, wo man sofort lernt, der Einteilung in "Ost" und "West" zu misstrauen. In Istanbul versteht man intuitiv, dass unsere Auffassungen von "Ost" und "West" letztendlich Fantasiegebilde sind, die daher jederzeit aufgelöst und neu erfunden werden können.
"Kein Engel hält inne" - Katharina Hacker, Trägerin des Deutschen Buchpreises, was das Werk des Friedenspreisträgers Saul Friedländer ihr bedeutet:
Mit größter Behutsamkeit, sorgsam, exakt und dabei zärtlich, zeichnet Friedländer nach, was mit den Menschen geschah, die Opfer des Judenhasses wurden; zeigt, wie die Kirche und alle anderen gesellschaftlichen Institutionen sich abwandten oder eben nicht abwandten, sondern recht gerne geschehen ließen oder unterstützten, was ausgeheckt wurde. Was bedeutet also diese wahrhaftige Wiedergabe des Geschehenen? Das gelungene historiographische Werk scheint jedenfalls die zeitliche Entfernung außer Kraft zu setzen und zwingt dazu, die Geschichte des "Dritten Reiches" und der Vernichtung als die eigene Geschichte aufzufassen, ohne etwa in die Distanz der Nachgeborenen zurückzuweichen. Die Erfahrung des Lesens wird dabei um so schmerzlicher, als ebenjene Achtung, jene Behutsamkeit und Sorge, die Friedländer auf die Menschen wendet, über die er schreibt, die er zitiert und beim Namen nennt, jene
menschliche Haltung eben in Deutschland und auch sonst in Europa weitgehend gefehlt hat; denn sie hätte verhindert,
was geschehen konnte.